Die endlosen Seen und Wälder Finnlands sind Magie. Jetzt im Herbst, wo die Sonne niedrig steht, sich die Blätter golden verfärben und riesige Vogelschwärme über unsere Köpfe hinweg in den Süden fliegen, zieht sie uns noch mehr in ihren Bann. Die Wildnis Finnlands, sie ist ein Paradies für Fotografen. Die Natur. Die Nordlichter. Und die größten Raubtiere Europas, die man hier noch zahlreich und teilweise hautnah beobachten kann.

Mit der Fähre von Deutschland nach Finnland

Die ersten fünf Elche sehen wir direkt, als wir aus Helsinki rausfahren. Die kleine Gruppe aus einem Bullen und vier Kühen grast auf einer Lichtung direkt an der Schnellstraße. Es ist September, das heißt Elchbrunftzeit, die Sichtungen sind jetzt wahrscheinlicher. Die Sichtungen von Menschen nehmen dafür ab, zumindest hoffen wir das, als wir unseren Weg gen Norden fortsetzen.

35 Stunden. Als wir diese Zahl zum ersten Mal sahen, mussten wir ganz schön schlucken. 35 Stunden dauert die direkte Fährüberfahrt von Deutschland nach Finnland, von Travemünde nach Helsinki. Eine Fahrt über die gesamte Ostsee. Es ist ein langer Weg, aber doch kürzer, als mit unserem Expeditionsmobil über Land, und damit über Dänemark, Schweden und Nordfinnland oder aber durch Polen und die drei baltischen Staaten zu fahren. Normalerweise bevorzugen wir die lange Strecke immer, aber dieses Mal haben wir nur vier Wochen Zeit zwischen zwei Fotoreisen. Vier Wochen, die wir möglichst nicht auf einer Schnellstraße, sondern tief in den finnischen Wäldern verbringen wollen. Dort, wo die Natur noch spürbar und jeder Lärm und Stress der Städte längst verflogen ist; dort, wo wir die Möglichkeit haben, Bären und Wölfe in ihrem natürlichen Lebensraum zu fotografieren.

Finnland im Herbst

Also nehmen wir die Finnlines-Fähre. Bei Windstärke 9 geht es nachts um 2 Uhr los von Travemünde, hinaus auf die offene Ostsee. 35 Stunden auf See liegen vor uns – fast eine Mini-Kreuzfahrt, sagen einige. Eine Mini-Kreuzfahrt auf einem Containerschiff zwischen Truckern bei Sturm und 10 Grad, aber immerhin gibt es eine Außenkabine mit eigenem Bad, überraschend bequemen Betten und in der Cafeteria gute Zimtschnecken und heißen Tee. 

Es ist unkompliziert. Es gibt kein Internet, dafür große Fenster für einen fantastischen Ausblick auf die stürmische See und nette Gesprächspartner. Rechts zieht Polen vorbei, links die schwedische Insel Gotland, am letzten Morgen schließlich rechts die estnische Hauptstadt Talinn, erstaunlich nah. Als es beginnt, langweilig zu werden, ist Helsinki und damit der eigentliche Start unserer Reise schon in Sicht. An der finnischen Hauptstadt interessiert uns dieses Mal aber nur die Straße aus ihr raus. Die Straße in die verheißungsvolle Wildnis des Nordens.

Die Natur Südostfinnlands

Finnland hat 41 Nationalparks. Die meisten liegen, wie alles in Finnland, im Süden des Landes. Sie schützen Wälder und Seen, felsige Gebiete und große Sumpfebenen. Vor allem dienen sie aber den Finnen als Naturerholungsgebiete. Jetzt im Herbst, der „Ruska“, lieben es die Finnen besonders, Zeit in der Natur zu verbringen. Sie gehen wandern, campen und Kanufahren, sammeln Pilze und Beeren, genießen die Natur mit ihren Familien und Freunden. Und so ist es besonders an den Wochenenden gar nicht gähnend leer in den Nationalparks, sondern wir treffen erstaunlich oft auf finnische Naturliebhaber. Und wir sind erstaunt, wie naturliebend sie wirklich sind – Müll, Lärm oder graffiti-besprühte Objekte sind hier völlige Fehlanzeige. Man hat einen großen Rucksack mit Isomatte auf dem Rücken, grüßt freundlich und geht seiner Wege.

Wandern in Finnland am See

Das eigentliche Ziel unserer Finnlandreise ist Kuhmo. Die kleine Stadt liegt unweit der russischen Grenze etwa auf halber Nordsüdausdehnung Finnlands. Die tiefen Wälder der Region um Kuhmo beheimaten noch heute zahlreiche Wölfe, Bären und Vielfraße. Je weiter man nach Osten vordringt, desto höher wird die Dichte. Mindestens eine Woche wollen wir hier verbringen und auf der Lauer liegen. Wollen versuchen, nach unseren großen Erfolgen in Alaska letzten Monat (Schau hier: Bären fotografieren in Alaska) nun auch Bären in Europa zu fotografieren.

Die Fahrt nach Kuhmo wollen wir aber so abwechslungsreich wie möglich gestalten. Wollen auf kleinen Wegen fahren statt auf der Schnellstraße, in tiefen Wäldern und an klaren Seen übernachten statt in vollen Städten. Das finnische Jedermannsrecht gestattet es uns, mit unserem Wohnmobil zu stehen, wo wir möchten und wo Platz ist – natürlich immer respektvoll, rücksichtsvoll und ohne irgendetwas zu hinterlassen. Und die Stellplätze sind leer – offensichtlich fahren zwar die Finnen selbst viel raus in die Natur, ausländische Touristen treffen wir aber fast gar keine. Finnland und Herbst scheint eine abschreckende Kombination zu sein. Dabei ist es ein Traum.

Finnland im Herbst Drohnenfoto

Der Winter naht

Der finnische Winter, er nähert sich in großen Schritten. Sind die Bäume am Anfang unserer Reise im Süden noch grün, verfärben sie sich täglich gelber, oranger, roter. Auch die Nacht nagt spürbar an der Tageslichtzeit, jeden Tag bricht sie früher herein. Stören soll uns das aber nicht, denn neben dem Funkeln der Milchstraße (der Mond geht im Moment nicht auf) bringt die Herbstnacht das wohl schönste Naturphänomen der Welt mit sich: Tanzende Nordlichter. 

Wie farbenfrohe Geister tanzen die Nordlichter über den Himmel, erhellen die finnische Nacht in unbeschreiblichen Grün- und Rottönen. Fast jede Nacht haben wir die Möglichkeit, das Lichtspektakel des hohen Nordens zu bestaunen und mit unseren Kameras festzuhalten. „Nacht“, das heißt für uns 21 Uhr. Das Anschauen der Nordlichter über den Seen und Wäldern direkt vor der Wohnmobiltür, es wird ein wunderschönes Abendritual, das uns über die gesamte Reise begleitet.

Nordlichter über einem See in Finnland

Die tiefen Wälder Ostfinnlands

„Weiter kommen wir offenbar nicht nach Osten.“ Das Schild macht es unmissverständlich klar: Grenzzone. Auf Englisch. Russisch. Finnisch. Französisch. Selbst auf Deutsch steht es hier, damit es keine Missverständnisse gibt. Grenzzone. Keinen Schritt weiter.

Die Straßen wurden kleiner, schmaler, schließlich zu Wegen. Je weiter wir uns der russischen Grenze näherten, desto weiter entfernten wir uns vom Schein der letzten Stadt, von der finnischen Infrastruktur, vom gepflegten Bodenbelag. Nun war es schon mehrere Stunden her, dass uns das letzte Auto begegnet war. Nur der Handyempfang, er war noch immer besser als in der deutschen Vorstadt.

„In zwei Kilometern beginnt Russland“, stellt Jan beim Blick auf das GPS fest. „Wir sind offenbar an der Pufferzone zwischen der EU und dem Osten.“ Später werden wir von unserem Guide Juho erfahren, dass man es früher nicht so genau nahm mit der Grenzzone. Damals, vor dem Krieg, als Finnland nicht in der NATO war, als Russland noch nicht als Aggressor wahrgenommen wurde. „Aber jetzt mussten wir unsere Beobachtungshütten dort abbauen“, wird uns Juho erzählen. „Ich komme noch mit Sondergenehmigung hin, aber alle anderen nicht mehr.“

Juho, er begrüßt uns, als wir uns irgendwann nach langer Fahrt auf den schmalen Wegen einer Lichtung mit einem roten Holzhaus nähern. Dem Basiscamp für unsere Tierbeobachtungen. Hier werden wir die nächste Woche mit unserem Wohnmobil stehen und von Juho zu einigen Plätzen für vielversprechende Bären- und Wolfbegegnungen gebracht werden.

Holzhaus im Wald

Wie es für Finnland fast vorgeschrieben zu sein scheint, befindet sich das Holzhaus direkt an einem See – eigentlich an Zweien, hinter dem Haus ist noch einer. Es gibt einen Steg auf das Wasser und ein paar Ruderboote, selbstverständlich eine Sauna, und einen gemütlichen Essenraum, holzverkleidet und holzgeheizt. Vor der Tür stehen Gummistiefel verteilt, um den Tisch sitzen ein paar Männer mit Handys oder Laptops, alle in Outdoorkleidung, alle mit Bärten, alle wortkarg. Finnen. Tierfotografen. Es gibt Kaffee und Tee, eine große Schale mit Obst. Fast vergisst man, wie lange man gefahren ist, um hier zu sein. Fast fühlt man sich wie einem urigen Hostel in der Stadt. Bis man rausguckt, auf den See. Und darüber nachdenkt, dass die nächste rote Hütte am See stundenlang entfernt ist.

Boot am See im finnischen Herbst

Von Bären und Wölfen

„Bären sehen wir fast jeden Tag“, sagt Juho, und wir hätten es fast lieber nicht gehört, um uns nicht zu große Hoffnungen zu machen. „Um 14 Uhr geht es los, ich bringe euch an einen Beobachtungsplatz. Dunkel wird es um sieben. Einige übernachten draußen. Aber es friert bereits nachts.“ 

Draußen übernachten, das sparen wir uns bei Minusgraden, insbesondere, da es jetzt – mittlerweile ist es Anfang Oktober und die Nächte noch immer mondlos – so dunkel wird, dass wir die Tiere nicht nur nicht fotografieren, sondern auch nicht mehr sehen könnten. Wir staunen über die Hartgesottenheit mancher Kollegen. „Der Vielfraß kommt hauptsächlich nachts“, erklärt Juho. „Manche sind nur wegen dem hier. Aber die Wölfe und Bären kommen abends.“

Braunbär am Seeufer

Die nachtaktiven und scheuen Vielfraße gehören zu den am schwersten zu sehenden Tieren Europas. Überhaupt möglich ist es fast nur hier in Ostfinnland – aber dafür würden wir die Sommermonate bevorzugen, wenn die Nächte heller und milder sind. Wir hoffen auf Bären und mit viel Glück auf einen Wolf. Sie sind hier deutlich seltener, man geht von noch etwa 300 Wölfen in Finnland aus.

„Bären und Wölfe sind hier manchmal sogar gleichzeitig zu sehen“, meint Juho. Eigentlich ist das extrem ungewöhnlich, da die Raubtiere Nahrungskonkurrenten und damit direkte Rivalen sind. Die einzigen Bilder, die Wolf und Bär zusammen zeigen, stammen alle aus dieser Region. „Sie fressen an der gleichen Beute“, erklärt unser Guide weiter. „Vielleicht sind sie hier toleranter als überall sonst auf der Welt. Manchmal glauben wir sogar, sie sind Freunde.“

Wolf auf einer Wiese in Finnland

Und tatsächlich. Nur etwa eine Stunde dauert es nach unserer „Aussetzung“ durch Juho im finnischen Wald, bis sich der erste Bär nähert. Wir beobachten ihn aus einer kleinen Hütte heraus, in der wir beide gerade so Platz finden, und in die Auslässe für die Kameras und Objektive eingearbeitet wurden. Perfekt für Fotografen. Und dann, gerade als die Kameras zum ersten Mal heiß laufen, taucht hinter dem Bären ein Wolf auf. Umsichtig. Ein bisschen nervös. Aber offenbar ohne richtige Angst vor dem viel größeren und stärkeren Konkurrenten.

Etwa ein Dutzend Braunbären und drei Wölfe fotografieren wir in den nächsten Tagen. Wir sitzen in den kleinen Beobachtungshütten am Rande einer Wiese, am Ufer eines Sees oder mitten in einem Kiefernwald. Manchmal wagen wir es kaum, zu fotografieren. Dann ist der Bär so dicht, dass wir seinen Atem hören können. Wir sind uns sicher, dass die Bären wissen, dass wir da sind, dass sie uns riechen können – sie riechen sogar Fische im fließenden Wasser. Aber wir scheinen sie nicht zu interessieren. Zum Glück stehen wir nicht auf ihrer Speisekarte.

Wie durch Butter graben sich die mächtigen Klauen des Bären durch den Waldboden. Er ist auf der Suche nach Wurzeln und Knollen. Jetzt, kurz vor dem Winterschlaf, zählt für ihn jedes Gramm zusätzliches Fett, das ihn sicher durch die eisigen Monate bringen wird. Und er scheint damit schon sehr erfolgreich gewesen zu sein: Sein Bauch berührt fast den Boden. Es ist fast die letzte Möglichkeit im Jahr, die Bären zu fotografieren: Schon bald werden sie ihre Höhlen nicht mehr verlassen und dann erst im April wieder durch die Wälder streifen. 

Wunderschöne Vogelwelt

Die Bären sind für uns die beeindruckendsten Geschöpfe der finnischen Wildnis. Aber wir finden hier auch wunderbare Bedingungen für das Fotografieren von Vögeln – jedenfalls von jenen, die nicht in den Süden fliegen, sondern sich vornehmen, dem finnischen Winter hier oben im Norden zu trotzen. Nur ein Viertel aller Vogelarten bleibt im Winter hier, trotzdem ist es nicht leise oder leer im Wald, ganz im Gegenteil. Elstern und Kolkraben folgen den Bären und Wölfen auf ihren Beutezügen, und auch Buntspechte und Eichelhäher, Tannen- und Haubenmeisen finden oft den Weg vor unsere Kameras. Die Reise ist ein Eldorado für die Vogelfotografie und zusätzlich zur Nordlichtfotografie am Abend wird es ein wunderbares Morgenritual, an der – manchmal bereits zugefrorenen – Wasserstelle auf die Singvögel und Spechte zu warten.

Finnland im Herbst

„Finnland im Herbst? Seid ihr sicher?!“ – dies war wohl die häufigste Reaktion unserer Mitmenschen, als wir von unseren Reiseplänen erzählten. Grau wird es sein und nass, kalt und dunkel, langweilig und „tot“. Immer hört man diese Aussagen von Leuten, die selbst nie vor Ort waren.

Aber sie irrten. Finnland im Herbst war für uns nicht grau. Finnland im Herbst war goldener Sonnenschein über fast vier Wochen. Es war blauer Himmel, der sich in klaren, endlosen Seen spiegelte. Finnland im Herbst waren ewige Wanderungen durch strahlend gelbe Birkenwälder. Es waren magische Begegnungen mit Bären und Wölfen tief in den Wäldern nahe der russischen Grenze, in die sich kaum ein Mensch je verirrt. Finnland im Herbst war das Staunen über atemberaubende Nordlichter in der Nacht und die Freude auf einen heißen Tee am Morgen. Finnland im Herbst war Vogelgezwitscher in der Stille, funkelnde Sterne in dunklen Nächten und der Blick auf die ersten zugefrorenen Wasserflächen. Die ersten Anzeichen des Winters. 

Nordlichter in Skandinavien

Der Winter. Noch zerrt er zaghaft an der finnischen Wildnis, bringt traumhafte Herbstfarben und den magischen Tanz der Nordlichter mit sich. Lang wird es aber nicht mehr dauern, bis er Finnland im Griff hat. Dann, wenn die Vögel ihren Weg in den Süden gefunden haben und sich mit den Bären auch das ganze Land in den Winterschlaf verabschiedet hat, wird die Sonne nur noch für eine kurze Zeit über den Horizont blicken. Die Wildnis wird von einer tiefen Schneedecke überzogen sein, die bis April nicht mehr schmilzen wird. Eine Schneedecke, in der man ab und zu ein paar Wolfsspuren sehen wird. Vielleicht die Pfotenabdrucke eines Luchses. Und die sich in manchen Nächten grün färben wird vom Tanz der Nordlichter, der den Himmel erhellt, wenn die Sonne fort ist.

Komm mit uns nach Finnland
Fotografierst du auch und hast Lust, die wilden Tiere Finnlands einmal selbst zu fotografieren? Dann komm mit uns in die Wildnis! Ab 2026 veranstalten wir Fotoreisen nach Finnland, um die Bären und Wölfe des Nordens gemeinsam zu fotografieren. Alle Infos findest du hier: Fotoreise Finnland.
Schau rein und sichere dir deinen Platz, wenn es das nächste Mal auf in den Norden geht!

Autor

Ich bin Sina, Mitbegründerin von Lichter der Welt, Fotografin und leidenschaftliche Weltenbummlerin. Ich liebe Natur, Freiheit, die Sonne auf meinem Gesicht und den Wind in meinen Haaren. Schon als Kind saß ich fasziniert vor dem Globus und malte mir aus, die Weite dieser Welt zu entdecken. Heute lebe ich diesen Traum und sammle Tipps, Inspirationen und Erfahrungen für dich!

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