Schroffe Klippen, feine Sandstrände, idyllische Dörfchen und Sonne satt. Die Algarve an der Südküste Portugals ist landschaftlich markant und für mich eines der schönsten Reiseziele auf dem europäischen Kontinent. Zwischen nostalgischer Erinnerung an meine abenteuerlustigen Reiseanfänge und dem Verlangen nach Rückkehr schreibe ich diesen Artikel. Bereits fünf Jahre liegt meine Reise an die Algarve zurück. Zeit für ein Revival.

Die Algarve in Portugal – Liebe auf den ersten Blick?

Mit der Algarve verbinde ich Erinnerungen. Immer, wenn ich an diese Reise zurückdenke, überkommt mich ein leichtes Schmunzeln und der Gedanke: Süß, unsere erste richtige, gemeinsame, individuell geplante Reise. Wie neu doch alles war. Unser erster Roadtrip. Nun gut, Mini-Roadtrip. Der Anfang unserer Abenteuerlust, unseres Muts, unserer Spontanität auf Reisen.

Alporchinhos. Dieser kleine Ort sollte das Ziel unseres Urlaubs im Spätsommer 2016 werden. Unwissend, wie genau dieser Ort ausgesprochen wird. Unwissend, wie die erste gemeinsame, individuell geplante Reise ausgehen wird. Zwei Jahre zuvor haben ich und mein Freund Henrik uns als alleinreisende Volunteers in Peru kennengelernt. Klingt zwar eigentlich mutig, individuell und abenteuerlich genug, doch was in Portugal neu war: Wir reisten als Paar. Und wir reisten ohne Aufgabe. Es sollte ein Urlaub werden. Als zwei Studenten waren unsere finanziellen Mittel zu diesem Zeitpunkt äußerst begrenzt. Unser Herz schrie eigentlich nach exotischeren Zielen. Unser Verstand riet uns zu etwas mehr Bescheidenheit.

Strände der Algarve auf unserem Roadtrip
Die Strände der Algarve: Markant, sonnig und wunderschön

Nach Portugal wollte ich doch schon immer. Ich war mir sicher, dass es mir dort gefallen würde. Von schönen Stränden und knalliger Sonne konnte ich noch nie genug bekommen. Dazu leckere Weine. „Lass uns das machen!“, überzeugte ich Henrik in voller Vorfreude. Wir buchten einen Flug nach Faro und ein Apartment in Alporchinhos. So ziemlich das günstigste, was wir finden konnten. Einen Pool und Frühstück genehmigten wir uns trotzdem.

Es dauerte keinen Tag und in mir entfachte ein Feuer. Ich fühlte mich auf Anhieb wohl. Voller Energie, mehr zu erleben als den Strand nur wenige hundert Meter vor der Haustür, traute ich es mich auszusprechen. Überzeugt, ernsthaft und mutig: „Komm, wir buchen einen Mietwagen!“. Das war aufregend. Schließlich waren wir noch nie im Ausland mit dem Auto gefahren.

Algarve Roadtrip, Ponta da Piedade
Surreale Kulisse an der Ponta da Piedade nahe Lagos

Abenteuerreise Light an der Algarve

Portugal schien ein sanfter Einstieg zu sein. Europäische Straßenverhältnisse, europäisches Recht, keine wuselige asiatische Großstadt. Wir kontaktierten einen Mietwagen-Verleih und unser Puls stieg höher, als wir den Mietvertrag unterschrieben hatten. Beinahe hätte sich unser Plan zerschlagen, denn das Mindestalter zum Mieten lag bei 23 Jahren. Ich war 21, Henrik 23. Ein Glück, dass ich mir einen älteren Freund ausgesucht hatte! Zugegeben, etwas enttäuscht war ich dennoch, dass ich nicht selbst fahren durfte. Immerhin blieb so für mich die Gelegenheit zum Entspannen und „in der Weltgeschichte rumgucken“. Abhängig vom Fahrstil meines Chauffeurs.

Und so tuckerten wir mit unserem weißen Nissan Micra los. Nun gut, für einen Tag. Für mehr reichte unser Mut und unser Geld dann doch nicht aus. Aber wir wollten viel sehen und erleben. Bis zum Ende der Welt, zum Cabo Sao Vicente, wollten wir fahren. Eine Strecke von rund 80 Kilometern, die wir am Abend auch wieder zurückfahren mussten. Dazwischen Strände, Felsformationen und kleine Städtchen auf unserer Route.

Felsalgarve vom Wasser
Praia da Marinha aus Bootsperspektive: Mit dem Kajak ins Benagil Cave

Von schroffen Klippen, traumhaften Stränden und meiner Angst

Unser geheimer, unausgesprochener Anspruch war es, am Ende des Tages den für uns schönsten, einzigartigsten, atemberaubendsten Strand der Algarve zu küren.

Nach lediglich 15 Minuten Fahrtzeit erreichten wir den ersten heißen Kandidaten nur wenige Buchten von unserem bekannten „Heimstrand“ Praia de Nossa Senhora da Rocha in Alporchinhos entfernt: Praia da Marinha. Als Teil der Felsalgarve – so wird der Küstenabschnitt zwischen Faro und Sagres genannt – offenbarte sich uns an diesem Ort eine Kulisse fürs Bilderbuch: Von Erosionen zerklüftete Felsformationen im sagenhaft sattblauen bis türkisfarbenen Atlantik und um die Praia da Marinha herum.

Praia da Marinha
Die Praia da Marinha ist sichtlich beliebt

Am Rande der langen Strandbucht entdeckten wir einen kleinen Laden im Sand, der augenscheinlich Kajaks anbot. Die zahlreichen Werbeschilder zeigten uns, dass man von hier aus, von der Praia da Marinha, selbst mit dem Kajak um den nächsten großen Felsen westwärts herum paddeln kann. Was dort ist, wussten wir, hatten wir diesen Ort doch auf zahlreichen Postkarten und im Internet gesehen: Das Benagil Cave, die Höhle von Benagil, das wohl berühmteste Ziel der Algarve. Durch die Ebbe wird die Grotte freigelegt und die kreisrunde offene Decke sorgt für einen wunderschönen, magischen Lichteinfall. Das Benagil Cave ist nur über das Meer oder mit Abseilen von den Felsen zu erreichen. Die Kajaks hätten uns also weitergeholfen. Doch wohin mit unseren Wertsachen? Schweren Herzens warfen wir die Idee im wahrsten Sinne des Wortes über Bord. Nicht dass dies noch mit dem Autoschlüssel passiert wäre. Und wo ich dies gerade schreibe, muss ich über unsere damalige Reiseunerfahrenheit lachen. Heute haben wir stets wasserdichte Beutel in unserem Gepäck.

Ein kurzer Gedanke, als ich an der Praia da Marinha ins Wasser hüpfte: „Wollen wir nicht einfach hierbleiben?“. Irgendwie eine Intuition, die sich richtig und zugleich falsch anfühlte. Schließlich konnten wir nicht wissen, was wir an diesem Tage noch alles erleben würden.

Praia da Marinha
Ein letzter Blick auf meinen vermeintlichen Lieblingsstrand an der Algarve

Erleben ist das richtige Stichwort. Am nächsten Strand angekommen, wünschte ich mir tief im Inneren, auf meine Intuition an der Praia da Marinha gehört zu haben und geblieben zu sein. Denn was ich an der Praia da Rocha vor mir sah, war meine Angst. Ich blickte ihr tief in die Augen. Eine Angst, die ich immer unterschätze, bis sie bereits die Herrschaft über mich übernommen hat. Praia da Rocha. Rocha heißt auf Portugiesisch Felsen. Naheliegend. Die kleine Strandbucht ist links und rechts eingeschlossen von Felsen.

Auf der rechten Seite der Strandbucht entdeckten wir mitten im gewaltigen Felsen einen kleinen Pfad. Wo dieser wohl hinführt? Wir wussten es nicht, aber vermuteten einen noch atemberaubenderen Blick auf den Atlantik und auf den Strand Praia da Rocha. Wie schmal dieser Pfad wirklich ist, sollte sich bald zeigen. Kaum einen Meter. Unterhalb des Pfades schlugen teils heftig die Wellen gegen die Felsen. Mutig und sportlich wie wir sind, stand es außer Frage, dass wir auskundschaften, was sich am Ende des Pfades versteckt. Zwar hatte ich Bedenken mit meinen Flipflops unter den Füßen, doch ich wollte mich nicht lumpen lassen.

Nach einigen einfachen Schritten schlängelte sich der Weg immer höher und höher die Klippe entlang und ich merkte, wie plötzlich mein Puls in die Höhe schnellte. Ich stand wie angewurzelt da, konnte mich nicht nach vorne, nicht nach hinten bewegen. Die schwindelerregende Höhe und die unmittelbare Gefahr des Wassers und der Felsen unter mir lähmten mich. Henrik drehte sich kurz um, erkannte aber meine wirkliche Angst nicht und schrappte beim Umdrehen mit der Strandmatte am Felsen entlang, woraufhin ich vor Schock laut schrie. Da ich aber auch keinen Weg zurück sah, sammelte ich all meine Kühnheit zusammen und bewegte mich in kleinen Schritten vorwärts, bis endlich ein breiterer Felsvorsprung auf mich wartete, auf dem ich mich in Sicherheit wog. Der Blick aus der Ferne und der Höhe auf die Praia da Rocha war demnach Balsam für die Seele.

Praia da Rocha
Ein Blick vom Abenteuerpfad auf die Praia da Rocha

Den heiklen Rückweg gen sicheren Strand meisterte ich couragiert mit Bravour. Nach diesem abenteuerlichen Nervenkitzel beruhigte ich meinen Puls mit Sonnenbaden und dem Rauschen des Meeres in den Ohren. Im Vergleich zur Praia da Marinha ist der Praia da Rocha windgeschützter, die Sonne dafür umso intensiver. Was bleibt mir zu sagen? Ich glaube kein einziger Strand an der Algarve ist nicht schön.

Doch mein Herz ist an der Praia da Marinha geblieben. Und somit verleihe ich meinen persönlichen Orden für den schönsten Strand der Algarve an diesen Strand. Warum? Ich kann es gar nicht wirklich in Worte fassen. Vielleicht weil über der Praia da Rocha ein Schleier der Angst liegt. Vielleicht aber auch nicht.

Von kleinen Dörfchen und dem Ende der Welt

Obwohl es an der Algarve natürlich noch unzählige weitere Strände gibt und wir unser Leben mit Strandhopping verbringen könnten, sollten uns ebenso andere faszinierende Orte auf unserem Mini-Roadtrip erwarten.

Ein Stückchen weiter gen Westen kurz vor Lagos empfing uns das Städtchen Alvor. Früher war Alvor ein Fischerdorf, doch mittlerweile lebt dieses 6000-Seelen-Städtchen primär vom Tourismus. Die Überbleibsel aus der Fischerzeit bemerkten wir, als wir die Uferpromenade entlang schlenderten. Alte Fischerboote, die allerdings nicht mehr im großen Stil kommerziell genutzt werden, und maritimes Flair sorgen für eine salzige, frische Lust. Wir ließen uns zur wohlverdienten Mittagspause in einem Café direkt am Wasser nieder. Plötzlich realisierte ich einen großen Vorteil, dass ich heute nicht fürs Fahren verantwortlich war. So genehmigte ich mir nämlich ganz genüsslich ein Glas Weißwein und stieß auf mein Leben an, nachdem ich an der Praia da Rocha vorhin kurzzeitig darum gebangt hatte.

Algarve Roadtrip: Alvor

Die Spitze des Erbarmens oder der Punkt der Frömmigkeit – so hieß unser nächster Stopp. Die Übersetzung ins Deutsche gibt wenig Aufschluss darüber, um was es sich genau handelt. Eine Kirche? Ein heiliger Gral? Nein, es handelt sich tatsächlich um einen der berühmtesten Orte der Algarve. Und, wer hätte es gedacht, – um Felsformationen. Spektakuläre Felsformationen charakterisieren die Ponta da Piedade. Die Landschaft unweit von der Stadt Lagos wirkt zunächst karg und öde, beim Blick von der Spitze dieser steilen Landzunge hinunter in die tiefen, zerklüfteten Schluchten türmt sich eine faszinierende Felsklippenlandschaft auf. Wirklich atemberaubend, welch ästhetische, teils unglaublich akkurate und doch zerbrechlich wirkende Felsgebilde von der Natur hier erschaffen wurden.

Ponta da Piedade

Nach einem kleinen Abstecher nach Sagres, Heimat einer alten See-Festung und des an der Algarve konsumierten Bieres, parkten wir unser Auto ein letztes Mal für diesen aufregenden Roadtrip-Tag. Der letzte Stopp auf unserer Liste könnte symbolischer kaum sein: Das Ende der Welt. Am Cabo de São Vicente, das Kap Sankt Vinzenz, befindet sich der südwestlichste Punkt Europas mit Blick auf Amerika. Nun gut, amerikanisches Land konnten wir nicht erblicken, aber wir waren zumindest so nah wie möglich dran. Darüber hinaus endet am Cabo de São Vicente auch die Felsalgarve. Am Zipfel der Landzunge ragt ein 24 Meter hoher Leuchtturm empor, der wohl die stärkste Leuchtkraft Europas besitzen soll. Ich fühlte Aufbruchstimmung. Es war windig, schroff, wild. Einerseits bekam ich durch die Weite des Horizonts ein Gefühl von Freiheit, Entdeckerdrang und Rastlosigkeit. Andererseits war ich erleichtert, dass wir es auf unserer erster Mietwagen-Tour unversehrt bis hier hin geschafft hatten und erschöpft von den vielen neuen Eindrücken.

Algarve Roadtrip: Cabo Sao Vicente

Die Sonne bewegte sich großen Schrittes Richtung Horizont entgegen. Für uns war es also an der Zeit aufzubrechen und uns auf den Rückweg nach Alporchinhos zu begeben.

Die Algarve aus anderer Perspektive

Ich war stolz, glücklich und motiviert. Mit einem Wagen ganz autark ein Land zu erkunden, fühlte sich gut an. Test bestanden, würde ich behaupten. Wenige Tage später entschlossen wir uns, die Algarve nochmal aus anderer Perspektive zu erkunden und uns einer Bootstour anzuschließen. Statt vom Land aufs Wasser zu blicken, konnten wir vom Wasser aufs Land blicken. Erfreut erkannten wir die Praia da Marinha wieder und sahen mutige Menschen den Pfad an der Praia da Rocha hochsteigen. Einen unerfüllten Wunsch bekamen wir auf diese Weise auch noch erfüllt: Mit dem Boot entdeckten wir das Innere des Benagil Caves. Zwar weniger abenteuerlich als mit dem Kajak, dafür aber sicherer.

Algarve Roadtrip: Benagil

Algarve – Immer eine Reise wert

Wie du siehst, eignet sich die Algarve ideal als Einstieg ins individuelle Reisen und bietet darüber hinaus wahnsinnig tolle Landschaften und mit die schönsten Strände Europas. Die Stimmung ist entspannt, das Wetter meist sonnig, doch durch die Frische des Atlantiks angenehm. Ich denke gerne an unseren Urlaub in Portugal zurück. Ich sage dies nicht oft, da meine Reiselust und mein Entdeckerdrang zumeist nach Neuem, Unbekanntem strebt, aber Portugal ist eines der Länder, in dem ich definitiv am Ende meines Lebens nicht nur einmal gewesen sein werde.

Algarve, eu me apaixonei por você e eu voltarei – ich habe mich in dich verliebt und komme wieder! Erinnerung an mich selbst: Ich wollte Portugiesisch lernen!

Autor

Hey! Ich bin Hannah - reisesüchtig, schreibverliebt und sportverrückt aus Leidenschaft! Mit 19 Jahren reiste ich alleine nach Peru, um mich als Volunteer in einem sozialen Projekt einzusetzen. Spätestens dort wurde ich zur selbstreflektierenden Weltentdeckerin und Abenteurerin. Die Entwicklung der Persönlichkeit auf Reisen ist daher ein sehr wichtiges Thema für mich, dem ich meist auch einen Platz in meinen Beiträgen schenke, um meine Erkenntnisse mit dir zu teilen.

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