Wie sieht eine Welt ohne Menschen aus? Während des Covid-Lockdowns waren wir in Venedig und haben die berühmte, normalerweise völlig überlaufene Lagunenstadt geisterhaft leer und ohne Menschen fotografiert. Heute veröffentlichen wir erstmals unsere Fotos aus diesem Projekt.
Komm mit uns in ein fast postapokalyptisch wirkendes Europa. Kommt mit uns nach Venedig, wie du es noch nie gesehen hast.
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2021
Fast ohrenbetäubend laut klingen unsere Schritte auf dem Pflaster des Markusplatz, so, als müssten sie die schlafende Stadt doch aufwecken. Doch sie schläft weiter, erstarrt in einem surrealen Traum, in den wir eindringen und aus dem sie noch lange nicht erwachen kann.
Es ist ein Samstag im Juli und zu jedem anderen Zeitpunkt in der Geschichte ist Venedig von dieser Zeit erfüllt von Menschenmengen. 90.000 Besucher sind es – jeden Tag. Die Stühle der unzähligen Cafés stehen dichtgedrängt, der Boden ist kaum zu sehen angesichts der vielen Tauben, die Geräuschkulisse ist eine Symphonie aus Reden, Lachen, Straßenmusik, dem Singen der Gondoliere, dem Rufen der Rosenverkäufer und dem Dröhnen der Dieselmotoren riesiger Kreuzfahrtschiffe, die die Lagunenstadt belagern. Riesige Touristenmengen schieben sich durch die engen Gassen, kaufen auf den bunten Märkten ein, Heiratsanträge werden gemacht, Familien trinken Cappuccino für 17 Euro und Paare kuscheln in den klappernden Gondeln, die durch die Kanäle manövrieren.
In diesen Monaten aber ist die Stadt eine leere Kulisse. Der Morgen legt einen sanften Schleier über den Markusplatz, auf den sich kaum noch eine Taube verirrt. Die Stühle der Cafés sind zusammengestellt und festgezurrt, längst bedeckt von einer dicken Staubschicht. Keine Musik hallt durch die Gassen, keine Motorengeräusche, nur das Platschen des Wassers an die Stege ist zu hören. Venedigs Märkte sind längst abgebaut, die Tauben längst weitergezogen.
Eine der vollsten Städte Europas
Venedig war eine Stadt, deren Architektur wir liebten, aber in die wir nie reisen mochten, angesichts der sich durch die engen Gassen drängenden Menschenmassen, der großen Touristengruppen, der zwar wunderschönen, aber so herausfordernd dichtgepackten Atmosphäre.
Heute liegt Venedig menschenleer vor uns. Unsere Anwesenheit wirkt wie ein zarter Bruch der Stille, die die Stadt umgibt. Das Schweigen menschenleerer Gondeln hängt in der Luft, die verwaiste Schönheit Venedigs liegt im Dämmerlicht wie ein vergessenes Märchen. Die vielen Cafés, die sich sonst um die Touristen streiten, haben ihre Türen auf unbestimmte Zeit geschlossen. Das Wasser, das sonst durch den massiven Schiffsverkehr hohe Wellen schlägt, die die uralten Gemäuer Venedigs an den hunderten Kanälen zerstören, plätschert flach und leise vor sich hin.
Wann das Leben diese Stadt wiederfinden wird, ist ungewiss.
Verwaiste Schönheit
Fotografisch gesehen ist die verwaiste Schönheit Venedigs ein Paradies. Es ist ein riesiges geheimes Museum, in das wir auf unerklärliche Weise Eintritt erhalten haben. Die prächtigen Paläste spiegeln sich reglos im Wasser, die Geschichte vergangener Jahrhunderte wird durch die erhabenen Fassaden lebendig. Nur selten laufen einzelne Menschen wie Geister durch die Szenerie, nur selten sehen wir einzelne Boote auf dem Wasser, die die Anwohner der autofreien Stadt als einziges Fortbewegungsmittel nutzen.
Inspiration und Ruhe
Jeder Schritt durch die leeren Gassen und über die verlassenen Brücken ist eine Reise durch die Geschichte. Eine einzigartige Gelegenheit, die Schönheit Venedigs in einem ungestörten Licht zu betrachten und mit unseren Augen und Kameras die Details zu erfassen, die wir in der Hektik des normalen Touristenstroms übersehen. Die aufwändigen Schnitzereien an den Türen, die verzierten Balkone – sie treten nun klarer hervor, als würden die Bauwerke auf die Bedeutung ihrer Geschichte hinweisen, die sonst im Schatten der Touristenströme verborgen bleibt.
In dieser unheimlichen Leere finden wir als Fotografen Inspiration und Ruhe, die zeitlose Magie dieser Stadt ohne Menschen einzufangen.
Ein Schleier aus Mystik umhüllt Venedig, als die letzten Sonnenstrahlen über den Canal Grande gleiten. Die Brücken scheinen ihre Schatten zu verschlucken, und die alten Gemäuer flüstern von längst vergangenen Zeiten.
Hinweis: Wir waren für ein anderes Fotoprojekt zufällig in Italien, als Venedig seine Covid-Beschränkungen lockerte und wieder Besucher hineinließ. Kurzentschlossen haben wir die einmalige Chance genutzt und sind in die Lagunenstadt gefahren, um sie frei von Menschenmassen zu erleben und zu fotografieren. Venedig war jetzt zwar zugänglich, aber noch nicht aus dem Lockdown erwacht. Hieraus entstand unser Fotoprojekt „Venedig ohne Menschen“. Die Fotos sind an einem Wochenende im Hochsommer entstanden.