Patagonien. Alle Träume von Fotografen, alle Sehnsüchte von Fernreisenden, alle Abenteuerlust von Wanderern und Outdoorfans stecken in diesem einen Wort. Patagonien. Der äußerste Süden Chiles und Argentiniens gehört unbestritten zu den spektakulärsten und beeindruckendsten Landschaften dieser Welt. Aber auch zu den rausten, den entlegendsten, den aufregendsten. Einen Monat lang waren wir als Fotografen unterwegs am südlichen Ende der Welt. Hier ist er, unser Patagonien Reisebericht!

Das Ende der Welt ist verdammt weit weg

Das Ende der Welt ist verdammt weit weg. Wir fliegen von Panama aus nach Patagonien, sind – von Deutschland aus betrachtet – also schon „fast da“. Dachten wir. Oh, wie wir uns irrten. In Bogotá, Kolumbien, wechseln wir das Flugzeug das erste Mal. Ein Zweites in Santiago de Chile. Der nächste Halt ist in Puerto Montt, einem Ort, den wir nicht kannten und von dem wir wohl normalerweise nie etwas gehört hätten.

Und dann, als die Augen fast nicht mehr können, die eingepferchten, viel zu langen europäischen Beine längst kein Gefühl mehr haben und die Müdigkeit fast den letzten Kampf gewinnt, tauchen Zehntausend Meter unter uns die riesigen Gletscher auf. Schneeweiße Zungen schlängeln sich durch die mächtigen Anden. Gewaltige Gipfel, die höchsten bedeckt von einer Schicht aus glitzerndem Schnee, ragen in den Himmel. Die tiefstehende Sonne spielt mit den eisigen Konturen und taucht die unberührten Landschaften in mystisches Licht.

Das Ende der Welt, plötzlich liegt es vor uns. 

Hier, wo der gewaltige amerikanische Kontinent immer schmaler wird und schließlich in einem windumtosten Felsen im Meer endet, beginnt unsere Reise. Unser Abenteuer Patagonien. Wir befinden uns im Landeanflug auf Punta Arenas, die südlichste Stadt Chiles, die das letzte Stück Zivilisation vor der scheinbaren Unendlichkeit der Ozeane markiert.

Patagonien Reisebericht Argentinien
Patagonien individuell Bericht
Dort, wo Amerika endet: Wie kaum eine andere Region steht Patagonien für das große Nirgendwo, das Ende der bewohnten Welt

Willkommen in Punta Arenas

Es ist März und damit Spätsommer in Patagonien. Hier unten bedeutet das Temperaturen um 10 Grad, mal Sonne, mal Wolken, immer aber starke Stürme. In Patagonien wohnen die Winde, sagt man, und wir verstehen dies vom ersten Tag an.

Unser Hotel für die ersten Tagen ist in Punta Arenas, direkt an der Magellanstraße – jener berühmten windumtosten Meerenge, die das südamerikanische Festland von der Insel Feuerland trennt und Pazifik und Atlantik verbindet. Die ganze Region steht für Pioniergeist und Aufbruchsstimmung, aber auch für unberechenbare Naturgewalten und unzählige Schiffbrüche. Die Dankmäler und Museen in der Stadt erzählen von den Helden und Entdeckern vergangener Tage. Was uns aber hierherzieht, sind die sagenhafte Natur und die große Einsamkeit dieses noch kaum besiedelte, rauen Landes.

In unserem Hotelzimmer, von dem aus wir über die ganze Stadt und über die Magellanstraße bis nach Feuerland schauen können, verbringen wir nur wenige Stunden. Wir möchten raus. Noch weiter nach Süden. Wir wollen Feuerland nicht nur aus der Ferne sehen, sondern wirklich dort sein. Das große endlose Nichts spüren und zum ersten Mal in unserem Leben Pinguine in ihrem natürlichen Lebensraum fotografieren. Und so verlassen wir den letzten Hauch der Zivilisation schon am ersten Morgen um 5 Uhr, um uns auf den langen Weg ganz an das Ende, nach Feuerland, zu machen. 

Punta Arenas, Chile
Unser umlaufender Balkon eröffnet uns einen Blick über die ganze Stadt. Schade, dass wir keine Zeit haben, länger hier zu verweilen!

Feuerland: Die Heimat der Stürme

Das weite, völlig verlassene Feuerland empfängt uns mit einem Sonnenaufgang, den wir in unserem ganzen Lebens niemals mehr vergessen werden. Über uns brennt der Himmel, während wir auf den langen, schnurgeraden Straßen nach Süden fahren. Ruta del fin del mundo, verkünden die einsamen Straßenschilder. Die Straße an das Ende der Welt.

Feuerland Reisebericht
Unter dem brennenden Himmel führt uns eine schnurgerade Straße in das Nirgendwo Feuerlands

Man sieht sie nicht, die Stürme. Hier auf Feuerland gibt es keine Bäume, keine Büsche, keine höheren Gräser oder überhaupt irgendwelche Strukturen. Flaches, braunes Land, soweit das Auge reicht. Nur wenn wir das Lenkrad loslassen, wird uns die Naturgewalt der Luft bewusst, gegen die wir die ganze Zeit anfahren: das Auto verschwenkt sofort stark zur Seite. Ob es in Patagonien je windstill ist, wissen wir nicht. Können aber die riesigen Probleme der europäischen Entdecker verstehen, deren Segelschiffe in den unberechenbaren Stürmen reihenweise an den Felsen zerschellt sind. Manchmal mögen wir kaum aus dem Auto aussteigen, weil es so schwierig ist, die Tür zu halten.

Gebäude gibt es hier an der Magellanstraße kaum. Wir fahren durch einen einzigen, längst verlassenen Ort. Stumme Holzhäuser, teils eingestürzt, von denen die Farbe abblättert und vom Sturm davongetragen wird. Ab und zu sehen wir einzelne Guanakos, die patagonischen Lamas. Fahren wir langsamer, flüchten sie sofort. Etwas weiter oben im Norden, im Torres del Paine Nationalpark, sollen sie recht zahm sein, die Guanakos, hatten wir gehört. Man könne sie gut fotografieren. Hier unten sind sie es nicht. Skeptisch heben sie ihre Köpfe, wenn man sich ihnen nähert, und verschwinden im großen Nirgendwo. So wie die Menschen, die hier irgendwann mal gelebt haben, Schafe gezüchtet haben, unter Bedingungen, die wir uns nicht vorstellen können. Geister und Guanakos. Feuerland ist so trostlos, wie wir es uns vorgestellt haben. Und gerade dadurch so reizvoll.

Königspinguine

Unser Ziel ist eine Bucht an der Westküste Feuerlands, in der seit einigen Jahren eine Königspinguinkolonie lebt. Es ist das einzige Vorkommen dieser Pinguine außerhalb der Antarktis. Diese Pinguine zu sehen und zu fotografieren, ist unser erstes großes Ziel auf unserer Patagonienreise. Wir wissen natürlich, dass wir Glück haben müssen. Es ist eine kleine Kolonie. Vielleicht sind die Pinguine heute gar nicht da, vielleicht entdecken wir sie nicht oder sie sind im Meer. Vielleicht stehen sie viel zu weit weg, versteckt, oder wir schaffen es gar nicht, die Kameras mit den schweren Teleobjektiven in dem heftigen Sturm überhaupt ausreichend ruhig zu halten.

Aber wenn Wildlifefotografie einfach wäre, wäre sie uninteressant. Und wenn wir einmal am südlichsten Ende der Welt sind und die Chance haben, wollen wir sie nutzen. Vielleicht ist sie die einzige in unserem Leben. Und so sind wir insgesamt 19 Stunden unterwegs heute, an unserem ersten Tag in Patagonien. Angestrengt, übernächtigt, restlos begeistert und sprachlos angesichts dieser Welt, die wir bisher nur aus Filmen kannten. Und dann haben wir unfassbares Glück. Die Königpinguine, wir entdecken sie.

Königspinguine Feuerland Patagonien

Etwa hundert Tiere leben in der Bucht, darunter auch viele Jungtiere. In ihrem wunderschönen Gefieder, das wie gemalt wirkt, trotzen die tapferen Vögel dem Sturm, als würden sie ihn gar nicht bemerken. Sie trotten umher, putzen sich, kümmern sich um ihren Nachwuchs, später sehen wir einige Pinguine schwimmen. Unsere Speicherkarten glühen und auch wenn es unheimlich schwer und anstrengend ist, in diesen rauen Bedingungen zu fotografieren, hat sich unsere Reise nach Patagonien für uns in diesem Moment schon gelohnt. Eine größere Belohnung für den weiten Weg an das Ende der Welt gibt es wohl nicht.

Königspinguine Feuerland

Die Einsamkeit des Südens

Die unfassbare Magie der Einsamkeit hat ihre Schattenseiten. 

Menschen oder auch nur Gebäude gibt es auf Feuerland kaum. Dementsprechend auch keine Hotels, Restaurants, und vor allem keine Tankstellen. Wir wissen, wo die einzige ist, fahren einen großen Umweg hin. Und sie hat kein Benzin da. Was in Deutschland unvorstellbar ist, ist hier an der Tagesordnung. Ersatzkanister darf man nicht mitführen innerhalb des Autos, und so müssen wir penibel genau planen, wann und wo wir tanken. Oft sind dafür mehrere hundert Kilometer Umweg nötig – auf Schotterstraßen. Ein Fakt, mit dem wir leben müssen, wenn wir die Einsamkeit erfahren wollen. Hier sieht es nicht nur für ein paar Kilometer einsam aus. Hier IST es einsam. Und so stehen wir an der leeren Tankstelle, die in hunderten Kilometer Umkreis die einzige ist – und wissen, dass wir erst weiterfahren können, wenn der nächste Tanklaster da war.

Schlafen wollten wir ja sowieso und so nutzen wir die Zeit. Wahrscheinlich verpassen wir die letzte – die einzige – Fähre über die Magellanstraße zurück nach Punta Arenas und übernachten auf Feuerland im Auto. Aber wir haben Kekse und Wasser dabei und sind schon gruseligeren Aussichten als einer Nacht im Auto begegnet. Dafür haben wir sie, die Pinguinfotos, und immerhin friert und schneit es nicht. Das Abenteuer, es hat nun ein anderes Kleid und ist viel leichter zu ertragen als zu Zeiten der Entdecker. Aber verloren hat diese Region es noch nicht.

Feuerland Infrastruktur
Wir schlafen im Auto, als er endlich kommt: Der langersehnte Tankwagen!

Mit dem Expeditionsboot zu den Pinguinen der Magellanstraße

Wir schaffen sie doch noch, die einzige Fähre zurück, und können die paar Stunden Dunkelheit, die der südpatagonische Spätsommer zu bieten hat, im Hotelbett statt auf Autositzen verbringen. Essen gab es dafür heute aber nirgendwo mehr. Am nächsten Morgen auch nicht, denn bevor noch die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont klettern, sind wir wieder unterwegs. Heute in einem Expeditionsboot.

Während wir die sagenumwobene Magellanstraße gestern nur mit der Fähre überquert haben, liegt unser heutiges Ziel direkt darauf. Wir fahren mit dem Boot auf zwei kleine Inseln, die mitten in der Meerenge liegen und von Pinguinen und Seelöwen bevölkert sind.

Pinguine Patagonien
In der frühen Morgendämmerung sind wir unterwegs auf der heute erstaunlich ruhigen Magellanstraße

Zu unserem Glück hat der extreme Sturm sich gelegt. Die Magellanstraße ist überraschend glatt – der perfekte Morgen für unsere Tour. Es gibt zu starken Kaffee und zu schwachen Kakao, aber wir sind unheimlich dankbar über die Bewirtung auf dem Boot. Unser erstes Ziel ist die Isla Magdalena, eine unbewohnte Insel und ein wichtiges Brutgebiet der Magellanpinguine. Bis Ende März können wir die kleineren Verwandten der Königspinguine hier antreffen, danach sind die Küken groß genug und die Kolonie verschwindet bis zum nächsten patagonischen Frühjahr in den Weiten des Ozeans.

Während die Königspinguine beeindruckend und anmutig sind, finden wir die kleineren Magellanpinguine vor allem eins: unheimlich niedlich. Über der gesamten Insel liegt eine Glocke aus Pinguingeschnatter. Die Pinguine watscheln umher, putzen sich gegenseitig, graben Höhlen oder machen sich auf den Weg in die Fluten, um zu fischen. Wir entscheiden uns dagegen, mit dem Guide die Insel zu umrunden, und nehmen uns stattdessen Zeit, an einem Ort zu bleiben und die Pinguine in Ruhe anzuschauen und zu fotografieren. Zu Recht sind die Besuchszeiten auf der Insel limitiert: Eine Stunde haben wir, dann lassen wir Menschen die Tiere wieder völlig ungestört. Eine fantastische Regelung!

Sehenswürdigkeiten Patagonien
Junger Magellanpinguin in der frühen Morgensonne

Die Bewohner der Magellanstraße

Die Magellanpinguine verzaubern uns. Alles an ihnen ist ruhig, friedlich, genügsam und robust. Hier an Land wirken sie langsam, manchmal sogar unbeholfen. Im Wasser aber schwimmen und jagen sie wie kleine Torpedos und wir können kaum fassen, wie perfekt sich diese Vögel an das Leben Unterwasser angepasst haben. Manchmal muss man sich daran erinnern, dass sie Vögel sind, keine Fische. Dass sie eigentlich in die Luft gehören, nicht in die Tiefen der Ozeane.

Die ruhige See erlaubt es uns, nach der Isla Magdalena noch die Isla Marta anzufahren. Hier leben weniger Pinguine, dafür aber eine riesige Seelöwenkolonie. Aus Naturschutzgründen betreten wir die Insel nicht, sondern beobachten die beeindruckenden Tiere vom Boot aus. Auf den golden schimmernden Felsen der Küste liegen Hunderte von ihnen, wärmen sich in der zehn Grad kühlen Luft in der schwachen patagonischen Sonne. Seelöwenbabys spielen am Strand und im Wasser, klettern über ihre Eltern und Geschwister und schwimmen planschend umher. Über der Insel kreisen Komorane und Seemöwen: Die Insel ist ein kleines, lebendes Idyll hier mitten im weiten Nirgendwo.

Wir wissen, dass es bald Winter wird, die Sonne hier dann kaum mehr über den Horizont steigt und die Temperaturen nicht mehr in den Plusbereich. Wie es dann ist, das Leben hier, fragen wir uns. Jetzt aber glitzert das nasse Fell der jungen Seelöwen in der Sonne und lebenslustig spielen die übermütigen Kleinen zwischen den ruhenden Alten. Ein bisschen fast, wie bei uns Menschen am Strand. So anders. Und doch mit einer so frappierenden Ähnlichkeit.

Isla Marta Seelöwen

Die Schönheit der Welt: Torres del Paine Nationalpark

Seit wir uns mit Fotografie beschäftigen, mit Natur, Landschaften und fernen Ländern, taucht ein Begriff ganz regelmäßig in unserem Leben auf: Torres del Paine.

Der Nationalpark im Süden Chiles gilt als eines der schönsten Gebiete der Erde und als absolutes Eldorado für Fotografen, Wanderer und Naturliebhaber. Es sind Bilder von mächtigen Gipfeln, von Andenkondoren und Pumas, von endlosen Gletschern und türkisen Seen in einer wahnsinnig spektakulären Bergkulisse, die wir mit dem Torres del Paine verbinden. Vor allem aber sind es diese Farben. Das Licht, die Wolken, der Himmel sei anders als überall sonst auf der Welt, sagt man. Und wenn man ein einziges Lebensziel habe als Fotograf, solle man hier her kommen. Hier her an das kalte und wilde Ende der Welt, wo sich dramatische Unwetter und strahlender Sonnenschein minütlich abwechseln, wo es durch die Stürme und die Berge Wolkenformationen gäbe wie nirgendwo sonst, wo Guanakos grasen und Pumas jagen, wo der nächste Ort hundert Kilometer entfernt ist und man sie noch erleben kann: die echte Wildnis. Das Paradies, fernab von allem anderen.

Und so machen wir uns auf Richtung Norden. Wir verlassen Punta Arenas, durchqueren zwei Stunden das karge Nirgendwo, bevor wir nach Puerto Natales kommen, wo wir noch ein letztes Mal tanken können. Wir werden eine Woche lang direkt im Nationalpark wohnen und wissen jetzt schon, dass dieses große Privileg uns abverlangen wird, jeden zweiten Tag hierher in die Stadt zurück zu fahren, zwei oder drei Stunden Fahrt zu investieren, um zu tanken oder einen kleinen Supermarkt zu sehen. Aber so ist es in der Wildnis, die noch tatsächlich eine ist.

Patagonien Reisebericht

Es ist schwierig, wenn die Erwartungen sehr hoch sind. Wie oft waren wir enttäuscht von gehypten Regionen, hatten mehr erwartet von Orten, die von jedem empfohlen, in jedem Reiseführer hervorgehoben sind. Wir sind deswegen weniger aufgeregt, als wir sein könnten, als die Straße kleiner und schlechter wird, schließlich in eine Schotterstraße übergeht und sich langsam gewaltige Berge am Horizont auftürmen.

Große Erwartungen

Wir fahren an den ersten Seen vorbei, fotografieren die ersten Panoramen. Das Wetter? Der Himmel? Die Farben? Grau, wie sonst auch. Stürmisch, wie sonst auch. Klar, es ist schön hier, aber das ist es in den Alpen auch. Zum Glück sind wir lang genug Landschaftsfotografen, um zu wissen, dass man nicht nachmittags um 16 Uhr kommen muss mit seinen riesigen Erwartungen. Man muss morgens kommen. Um sechs.

Ganz bis zu unserem Hotel (eine lose Ansiedlung aus kleinen Häusern) schaffen wir es dann aber doch nicht. Kurz vorher fahren wir an einem Ausblick vorbei, der für unseren ersten Wow-Moment im Torres del Paine sorgt. Wie eine Schlange schlängelt sich tief zu unseren Füßen ein Fluss, der Rio Serrano, durch ein riesiges gelb-grünes Tal. Umringt ist die Szenerie von mächtigen Bergen. Das Panorama sieht aus wie auf eine riesige Leinwand gemalt. Ganz links, neben einer Flussschlaufe, fügen sich ein paar Häuser mit grünen Dächern in die Landschaft ein. Unser Hotel. Die Farben sind unspektakulär. Die Wolken, na ja. Und doch scheint es, als wären wir angekommen im Paradies.

Torres del Paine Patagonien Reisebericht
Der erste Blick auf die direkte Umgebung unseres Hotels raubt uns den Atem!

Eine Woche haben wir im Torres del Paine, und einen strengen Zeitplan. Leider sind wir nicht nur zum Vergnügen, sondern hauptsächlich zum Arbeiten hier. Und so werden wir die Tage damit verbringen, das Gebiet zu erkunden und Fotospots zu scouten. Morgens und abends dann, wenn andere Menschen schlafen und essen, werden wir das hochgelobte und mitbezahlte À la carte Menü unseres Hotels verpassen und uns in den patagonischen Stürmen auf Bergen und an Lagunen den A…rm abfrieren, um die Fotos zu machen, wegen denen wir gekommen sind. Die Fotos, die hoffentlich zu den besten unseres Lebens zählen werden. Wenn das Wetter mitspielt, die Wolken, das Licht, der Spot, und unsere Kameras nicht samt Stativen von den Bergen geschleudert werden, so wie es jedes Jahr Dutzenden Kollegen hier ergeht.

Hotel Torres del Paine Patagonien
Wir könnten auch einfach hierbleiben: Der Ausblick von unserem Hotel aus ist wunderschön

Fotografieren im Torres del Paine

Unser Spot für den ersten Morgen befindet sich unweit unseres Hotels. Und während wir keinen Schimmer haben, wie wir das Stativ befestigen sollen angesichts des Sturmes, der uns die Autotüren aus den Händen reißt und uns fast von den Beinen, macht der Himmel Hoffnung. 

Noch sind sie farblos, die schnell ziehenden Wollen über dem Torres del Paine Massiv. Sobald die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont klettern, sollte sich das aber ändern. Unser Spot ist so gewählt, dass „Los Cuernos“, die Hörner, wie eine Bergkette des Paine-Massivs genannt wird, von der aufgehenden Sonne angeleuchtet werden, während sich der Himmel über ihnen langsam verfärbt. Wo genau unser Stativ steht, haben wir am Tag vorher ausgekundschaftet – wohlwissend, dass in der Dunkelheit in unbekannten Terrain alles viel schwerer abschätzbar ist.

Und so haben wir unseren Vordergrund aus abgestorbenen Bäumen, einen einigermaßen windgeschützten Platz (mit 4kg-Wasserkanister am Stativ zum Beschweren), passende Filter zur Hand und etwa eine halbe Stunde später dann auch endlich den sich langsam verfärbenden Himmel. Während hinter uns die Sonne gen Horizont steigt, werden erst die Wolken über den Cuernos, später dann ihre Spitzen und schließlich die ganze Szenerie inklusive See erleuchtet. Unser Stativ steht sicher, eingeklemmt zwischen Steinen, und wir sehen schon auf dem Display, dass es sich lohnt, das Frühstück zu verpassen.

Die Farben, sie überwältigen uns. Wie viel ist an den Farben gedreht? Diese Frage schwingt immer im Kopf mit, wenn wir Bilder von Kollegen aus fotogenen Regionen sehen. Wie viel ist echt? Während wir in einem rosa-violetten Meer versinken, bekommen wir aber die erste Ahnung davon, wie es hier tatsächlich aussehen kann. Wie es sich anfühlt, hier zu sein. Wie mitten in einem Gemälde.

Patagonien Reisebericht
Unser erstes Bild aus dem Torres del Paine ist ein Volltreffer

Manchmal würden wir lieber nicht hier sein

Das Wetter im Torres del Paine, es ist heftig. Manchmal bekommen wir gar kein Foto, weil es in Strömen schüttet oder der Sturm zu lebensgefährlich ist, um das Auto zu verlassen und an eine Klippe zu gehen. Manchmal stehen unsere Kameras über Stunden nicht still, wenn eine unfassbar schöne Landschaft abwechselnd in die überwältigendsten Farben getaucht wird und jede Minute völlig anders aussieht. Die Dramatik des Wetters, sie sorgt für spektakuläre Wolkeneffekte über den bizarren Felsformationen des Paine-Massivs und den von riesigen Buschbränden abgebrannten, toten Wäldern. 

Manchmal können wir kaum fassen, hier zu sein. Dann wirkt der Torres del Paine unwirklich, fast wie in einem Traum. Das Wasser der Lagunen zu türkis, der Himmel zu orange, die Wolken zu rot, die Berge zu blau. Insgesamt alles zu schön, so als hätte jemand mächtig übertrieben mit der Schaffung einer virtuellen Landschaft. Als hätte jemand einfach zu viel von allem genommen und es über diese Region ergossen. Über diese Region, die viel zu schön ist, um Wirklichkeit zu sein. Wenn mir jemand gesagt hätte, ich sei von einer übernatürlichen Macht in ein Gemälde gesogen worden – an manchen Tagen hätte ich es geglaubt.

Patagonien Reisebericht
Rauschende Wasserfälle vor golden leuchtenden Bergketten: Manchmal sind die Motive im Torres del Paine fast zu unwirklich schön um wahr zu sein

Und manchmal ist es anders. Manchmal würden wir lieber nicht hier sein, in dieser ewig kalten, stürmischen No-Internet-Zone ohne Restaurants, seit Tagen nur von Keksen ernährt, die es manchmal, manchmal auch nicht im nächsten Supermarkt in zwei Stunden Entfernung gibt. Manchmal würden wir lieber im Büro arbeiten, mit Heizung statt mit erfrorenen Fingern, ständig nach dem Chef schauend statt nach hungrigen Pumas.

In der Wildnis zu arbeiten – wer sagt, es sei ein ständiges Zuckerschlecken, ist ein Lügner. Wer denkt, Reisefotografie ist ein Abhängen in tropischen Hängematten und ein entspanntes Herumlungern an den schönsten Orten, irrt sich. Wohnen, hier? Niemals! Oh, wie entspannt ist unsere Winterheimat Panama! Und doch: Die schwärmenden Kollegen hatten Recht. Der Torres del Paine Nationalpark ist einer der schönsten Orte der Welt. Vielleicht der schönste, an dem wir je waren.

Torres del Paine Wetter
Längst nicht immer ist Patagonien heiter Sonnenschein. Und doch: Auch das melancholische Trübe macht auf den Fotos unheimlich viel her

Pumas

So einig sich unsere Kollegen waren bei der Schönheit des Torres del Paine, so einig waren sie sich auch bei den Pumas. Man sehe sie nie. Sie zu suchen, lohne sich nicht, eine überteuerte Pumatour eines Hotels zu buchen schonmal auf gar keinen Fall, und wer glaubt, eine der scheuen Wildkatzen zeige sich seiner Kamera, nur weil er mal eine Woche im Leben hier vor Ort ist, sei unfassbar naiv.

Tatsächlich kennen wir etwa 15 Leute, die schon mehrmals im Torres del Paine waren. Und niemanden, der je einen Puma gesehen hat. Grund für uns, es zu versuchen.

Ein chilenischer Kollege, spezialisiert auf die Pumafotografie und einer der bedeutendsten Pumafotografen des Landes (und damit auch der Welt), macht uns Mut. Der Torres del Paine sei der beste Ort der Welt, um Pumas zu sehen. Und wenn wir einen ganzen Tag Zeit haben, von der Dunkelheit morgens bis in die Dunkelheit abends, können wir ihn begleiten. Garantieren könne man nie etwas. Aber wenn es mit jemanden die Chance auf Pumas gäbe, dann mit ihm.

Patagonien Reisebericht

Und so verbringen wir einen unserer Tage im Torres del Paine nicht mit der Landschaftsfotografie. Stattdessen sind wir mit zwei ausgezeichneten Pumatrackern unterwegs in ihrem Geländewagen und halten Ausschau nach Spuren und Anzeichen der seltenen Wildkatzen. Wir versprechen uns überhaupt nichts von der Suche, finden aber schon die Arbeit der Tracker interessant. Sie erklären uns, wie sie Pumas aufspüren. Wie die Großkatzen sich üblicherweise verhalten, wo sie sind, wie sie fressen und leben und warum das Verhalten von Guanakos die größte Rolle im Finden der Pumas spielt. Wir sind extrem interessiert, die Region nochmal von Locals erklärt und gezeigt zu bekommen, auf eine ganz andere Weise. Und haben unsere Kameras noch nichtmal bereit, als es nach einer halben Stunde so weit ist: Unser Kollege hat den ersten Puma gefunden.

Pumas Patagonien Tipps
Unsere erste Begegnung mit einem wilden Puma wird wohl für immer eine unserer intensivsten Tierbegegnungen bleiben

Ein Stück Zuhause

Es ist ein Weibchen, das gerade ein halbaufgefressenes Guanako in ein Gebüsch zerrt. So schwierig es ist, mit den zu hohen Erwartungen, so schwierig ist es auch mit den zu niedrigen. Wir sind viel schlechter vorbereitet als wir sein könnten. Trotzdem gelingen uns ein paar Fotos des Moments, bevor das Pumaweibchen im Gebüsch verschwunden, und dort zwar noch zu sehen, aber nicht mehr sinnvoll zu fotografieren ist. Ein zweiter Puma kommt noch dazu und wir beobachten die beiden eine Stunde beim Fressen. Unser Guide ist enttäuscht: schlechte Sicht. Wir hingegen können unser Glück gar nicht fassen. Einen Puma in seiner natürlichen Umgebung zu sehen und zu fotografieren ist ein einzigartiges Erlebnis. Ein unbeschreibliches Privileg, mit dem wir niemals in unserem Leben gerechnet hatten.

Drei weitere Pumas findet unser Kollege an diesem Tag noch. Und wir an unserem letzten Tag im Torres del Paine selbstständig und alleine – durch die großartigen Tipps unseres Kollegen – noch zwei weitere.

Der gigantische Torres del Paine, er ist durch diese Begegnungen für uns wilder und gleichzeitig zahmer, vertrauter geworden. Wir haben nach der Tour mit dem Kollegen nun das Gefühl, uns hier besser auszukennen. Durch unsere neugelernten Fähigkeiten vielleicht ein bisschen mehr hier hin zu gehören, in diese raue Wildnis. Das Wetter kommt uns nun ruhiger vor, alles etwas entspannter. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir die Fotos, die wir unbedingt machen wollten, im Kasten haben. Wir haben mehr Zeit. Zeit, wirklich zu schauen. Da zu sein. Und plötzlich ist der Torres del Paine kein unbekannter Sehnsuchtsort mehr, von dem Kollegen und berühmte Bergsteiger erzählen. Nach einer Woche kennen wir jede Kurve, jeden fotogenen Baum, jede Bergspitze hier. Werden von jedem Ranger begrüßt, können mit jeder spanischen Bezeichnung etwas anfangen.

Wir wissen jetzt schon, dass wir wiederkommen werden. Und es wird sich völlig anders anfühlen als bei diesem Mal.

Argentinien

Unweit des Torres del Paine, näher dran als die nächste Tankstelle, befindet sich der Grenzübergang nach Argentinien. Die Grenze – es ist ein kleines Häuschen auf einem Acker und ein Hütchen auf einem Feldweg. Unsere Route führt uns hier lang, denn wir wollen weiter in das argentinische Patagonien. Wollen die gewaltigen Gletscher des Los Glaciares Nationalparks kennenlernen, wollen Andenkondore und Gürteltiere sehen, selbst in den Bergen wandern, statt sie nur zu bestaunen.

Und so ist das nächste Ziel unserer Rundreise das kleine Bergsteigerdorf El Chaltén, das zu Fuße des weltberühmten Berges Fitz Roy liegt und das erst in den letzten Jahren die Region für normale Reisende überhaupt zugänglich gemacht hat.

Der Grenzübergang ist einfach und zwar wegen unseres chilenischen Mietwagens etwas bürokratisch, aber wenn man alle Papiere dabei hat, keine Sorge wert. Wir reisen aus Chile aus, dann einige Kilometer durch Niemandsland, bevor wir uns in Argentinien neu anmelden müssen. Offiziell in das neue Land eingereist, lassen wir dann die Schönheit der chilenischen Anden hinter uns und machen uns auf in die endlose Pampa.

Grenzübergang Chile Argentinien Erfahrungen
Was aussieht wie ein bedeutungsloser Feldweg mit vergessenen Pylonen, ist der chilenisch-argentinische Grenzübergang (hier die argentinische Seite, die chilenische ist geteert)

Dass unser Fahrtag nach Argentinien langweilig werden würde, wussten wir. Wie langweilig aber eine Landschaft tatsächlich sein kann, beeindruckt uns hier in der braunen argentinischen Pampa aber doch. Die leichte Hügellandschaft Feuerlands war abwechslungsreich gegen die unendliche argentinische Steppe, durch die wir die nächsten sechs Stunden fahren. Außer felsigen Boden mit ein paar Schafweiden ohne Tiere werden wir in den nächsten Stunden nichts sehen. Nur selten begegnet uns mal ein anderes Auto. Touristen sind jetzt Ende März kaum noch hier und wohnen tut in dieser absoluten Einöde, der sprichwörtlichen Pampa, niemand. Es regnet hier fast nie, weswegen das Land nicht nur kalt und stürmisch, sondern auch trocken und unfruchtbar ist. Es ist erstaunlich, wie dicht die unbeschreibliche Schönheit der Anden und die unfassbare Langeweile der Pampa nebeneinanderliegen. Wenigstens haben wir Zeit, unsere Gedanken zu sortieren und das in Chile Erlebte Revue passieren zu lassen. Einmal läuft ein Stinktier über die Straße. Unser absolutes Highlight.

Reisebericht Patagonien Argentinien
Längst nicht immer ist die argentinische Pampa so idyllisch-fotogen wie hier

Am Fuße des Fitz Roy

Es ist eine lange, gerade Straße, die nach El Chaltén und auf die argentinischen Anden zuführt. Sie kommt aus der absoluten Einöde und ist doch verheißungsvoll, denn sie beherbergt eines der berühmtesten Motive des argentinischen Patagoniens: Die Straße führt direkt auf den gewaltigen Fitz Roy zu.

Der ikonische Granitfelsen sticht heraus aus dem riesigen Fitz Roy Massiv, zu dem einige der berühmtesten Gipfel der Welt gehören. Der Fitz Roy selbst und der benachbarte Cerro Torre, eine senkrecht in den Himmel stechende Felsnadel, galten lange als unbesteigbar und zählen noch heute zu den schwierigsten Bergen der Welt, die wenige Bergsteiger je erklommen haben.

Patagonien Reisebericht
Etwa zwei Kilometer vor El Chaltén: Der ikonische Fitz Roy in der Abenddämmerung. Der Cerro Torre liegt links wie fast immer in den Wolken

Bergsteiger wie Reinhold Messner waren es auch, die das Fitz Roy Massiv in den 80er Jahren bekannt gemacht haben. Der kleine Ort El Chaltén wurde erst 1985 als „Basislager“ und Versorgungsort am Fuße des Massivs gegründet. Bis heute tummeln sich hier hauptsächlich Bergsteiger und Extremwanderer in den Straßen. In der Luft liegt ein ständiger Hauch von Abenteuer und Entdeckergeist.

Noch heute ist nicht endgültig geklärt, ob die Region wirklich zu Argentinien oder doch zu Chile gehört, denn bis zum Aufkeimen des Tourismus waren beide Länder nicht an einer genauen Grenzziehung durch dieses Nirgendwo interessiert. Mit der Gründung El Chalténs kam Argentinien Chile zuvor und meldete eigenen Anspruch an, offiziell soll die Zugehörigkeit des Territoriums jedoch erst in Zukunft geklärt werden.

El Chaltén hat keine eigene Industrie und hängt vollkommen vom Tourismus ab. Als Fotografen sind wir unheimlich froh über die Bergsteiger und Wanderer, die zur Gründung dieser Basis geführt haben. Denn so ist es nun auch uns möglich, uns in dieser wahnsinnig besonderen Gegend eine Unterkunft zu buchen, statt täglich aus dem nächsten Ort El Calafate anzureisen, der immerhin zwei überaus langweilige Autostunden entfernt liegt.

El Chalten Reisebericht
El Chaltén (rechts im Bild) schmiegt sich direkt an den Fuß des Fitz Roy Massivs

Endlose Gletscherwelten

El Chaltén liegt im Norden des Los Glaciares Nationalparks, der sich im Süden bis zur Stadt El Calafate erstreckt. Der Nationalpark umfasst ein 6000 Quadratkilometer großes Gebiet und beheimatet 300 Gletscher in einer weltweit einzigartigen Landschaft.

Während der Süden des Los Glaciares mit dem weltberühmten Perito Moreno Gletscher schon sehr touristisch aufbereitet und auch kostenpflichtig ist, ist es hier im Norden deutlich entspannter. Eintrittspforten und Kassenhäuschen gibt es nicht, noch sind hier so wenig Menschen, dass alles problemlos händelbar ist, ohne in Bahnen gelenkt und abkassiert werden zu müssen. Und genau diese entspannte Unbeschwertheit ist es, die das Flair in El Chaltén ausmacht.

Ein Auto braucht man in El Chaltén nicht, denn im Gegensatz zum riesigen Torres del Paine ist hier alles fußläufig oder dann eben sowieso nur noch per Wanderung zu erreichen. Urige Bars im Alpenstil verkaufen argentinisches Bier an Bergsteiger, die auf ein geeignetes Wetterfenster für ihre Expedition warten, an jeder Ecke stehen junge Backpacker in bunter Outdoorkleidung und Mehrtageswanderer mit riesigen Rucksäcken.

Rund um El Chaltén gibt es so viele Wanderziele und Fotospots, dass es in einer Woche unmöglich ist, auch nur annähernd die Hälfte zu schaffen. Und dann ist da ja auch noch das umkalkulierbare Wetter! Und so machen wir uns eine Prioritätenliste mit unseren Fotospots, aufgeteilt nach „einfach zu erreichen“ und „Tageswanderung“ und hoffen, eine Hand voll davon erledigen zu können. Und während uns das Wetter in unserer zweiten Wochenhälfte zur Entspannung im Hotel zwingen wird, haben wir in den ersten Tagen riesiges Glück mit Sonnenschein, sanften Wolken und – tatsächlich – überraschend wenig Wind.

Reisebericht El Chalten Fotospots
Der türkise Rio de las Vueltas schlängelt sich durch das Tal

Zuhause in El Chaltén

Jan wird nach der Reise sagen, dass es El Chaltén war, das ihn in ganz Patagonien am meisten begeistert und beeindruckt hat. Dass es der Los Glaciares Nationalpark war, in dem er einige der besten Fotos seines Lebens gemacht hat und der für ihn immer einer der schönsten Orte der Erde sein wird.

Da wir die Region für eine Fotoreise mit Teilnehmern scouten, verzichten wir auf Mehrtageswanderungen, die uns tief in das Fitz Roy Massiv hineinführen. Stattdessen liegt unser Fokus auf beeindruckenden Fotospots, die für jeden mit einer normalen Fitness erreichbar sind. Und wir werden absolut nicht enttäuscht. Mal wandern wir nur eine halbe Stunde, mal liegt ein traumhaftes Motiv nur wenige Minuten vor der Straße entfernt. Mal sind wir zwei Stunden unterwegs oder fünf. Immer sind wir absolut überwältigt und sprachlos angesichts der unfassbaren Vielfalt und Schönheit, die unsere Erde zu bieten hat.

Fotospots El Chalten

Wir sehen und fotografieren endlich die majestätischen Andenkondore, lassen uns beim entspannten Bier von Argentiniern die riesigen wirtschaftlichen Probleme des Landes erklären und warum für uns als Ausländer alles 40% günstiger ist, stehen wie immer früh morgens im kalten Wind und warten auf die Farben der aufgehenden Sonne und das Glühen der Berggipfel. Durch die Infrastruktur ist El Chaltén weniger wild als Torres del Paine, weniger schwierig zu bereisen angesichts dessen, dass es einen Supermarkt und in einem improvisierten Container am Ortsrand mittlerweile sogar eine Tankstelle gibt. Obwohl wir mitten in der Natur sind, gibt es hier Menschen, mit denen wir uns austauschen können. Obwohl wir gern allein und draußen sind, ist das nach der rauen, einsamen Wildnis Torres del Paines fast ein heimeliges, wohltuendes Gefühl. El Chaltén, wir könnten hier wohl auch problemlos noch ein paar Wochen länger bleiben.

Das Ewige Eis

El Chaltén ist ein noch recht wenig bereistes Ziel für Abenteurer tief in den Bergen. Viel bekannter, viel mehr bereist ist die Stadt El Calafate, etwa zwei Autostunden entfernt. Wenn wir ehrlich sind, hat sie eigentlich nur eine Sehenswürdigkeit zu bieten, aber die hat es dafür absolut in sich.

Der riesige Perito Moreno Gletscher ist unbestritten eines der atemberaubendsten Ziele Südamerikas, vielleicht der ganzen Welt. Jeder Südamerikaner sollte einmal hier gewesen sein, sagt man, und auch unzählige Reisende aus anderen Teilen der Welt zieht es an die Kante des wohl berühmtesten Gletschers der Welt.

Patagonien Perito Moreno Reisebericht
Der 30 Kilometer lange Perito Moreno ist einer der wenigen Gletscher der Welt, der noch wächst

Und so haben sie Terrassen aus Holz errichtet, hier, mitten in der sonst so unberührten Natur. Es gibt Eintrittshäuschen und Parkplätze, Bootstouren und Restaurants. Man bekommt einen Eindruck davon, wie es vielleicht in zwanzig oder dreißig Jahren überall hier aussieht, wenn Patagonien kein kalter und einsamer Geheimtipp für Abenteurer mehr ist. Dann, wenn es (leider?) nicht nur überall Tankstellen und Supermärkte gibt, sondern auch Hotels und Cafés, Andenkenläden voll mit Pinguinpullis und Fitz Roy Schlüsselanhängern.

Wir hatten lange überlegt, ob wir überhaupt zum Perito Moreno Gletscher fahren sollten. Wir lieben die Abgeschiedenheit, das Unentdecke. Die raue, parkplatzlose Wildnis. Und doch wurde uns von allen Seiten erzählt, dass wir ihn unbedingt sehen müssen. Dass wir sprachlos dastehen und unendlich dankbar für diesen Tag sein würden. Und so sind wir an diesem Tag hier am Perito Moreno Gletscher, an der einzigen offiziellen Sehenswürdigkeit unserer Patagonien-Reise. Der einzigen mit Eintrittshäuschen und Parkplatz, mit Café und Souvenirladen. Und wir sind unheimlich froh, dass Herbst ist. Denn wir sind fast die Einzigen hier.

Und sie hatten alle Recht.

Wir sind absolut überwältigt.

Sehenswürdigkeiten Patgonien

Die Magie der Einsamkeit

Es ist Herbst in Patagonien, der erste Schnee des Jahres liegt in der Luft.

Leichter Nebel umhüllt die Szenerie und so ist die majestätische Bergkette am Horizont, aus der sich die 30 Kilometer lange Gletscherzunge bis vor unseren Füßen schlängelt, kaum mehr auszumachen. Über fünf Kilometer Länge fällt die 70 Meter hohe, von tiefen Furchen durchzogene Gletscherwand direkt vor uns steil hinab in den Lago Argentino. Es ist ein Anblick, der seinesgleichen sucht und so wohl nicht noch einmal zu finden ist auf dieser Welt. 

Die eisige Wand des Perito Moreno erstrahlt in einem fahlen Glanz von Türkis und Grau. Ein Schauer durchfährt uns, als wir das gewaltige Knacken und Krachen des Gletschers hören. Riesige Teile der Gletscherwand brechen ab und stürzen in die Tiefe. Hier ist sie spürbar, die urtümliche Kraft der Natur. Unserer Erde.

Während weltweit fast alle Gletscher schrumpfen, ist der Perito Moreno einer der wenigen, der noch wächst. Er präsentiert sich uns als zeitloses Monument, als greifbare Ewigkeit. Wir fühlen uns klein und ehrfürchtig, als sich erste Schneeflocken aus den tief über uns hängenden Wolken lösen und den Gletscher und uns einhüllen in eine magisch-mystische Szenerie aus Schnee und Ewigem Eis.

Perito Moreno Reisebericht

Ob es Minuten waren oder eine Stunde, bis die neblige, verschneite Stille den Gletscher vollkommen verschlungen hat – wir können es heute nicht mehr sagen. Irgendwann wird es dunkel, und als wir uns umsehen, auf die anderen Plattformen gehen, merken wir, dass längst keiner außer uns mehr da ist. Feiner, unberührter Schnee bedeckt die Böden der Plattformen, die sich an der Gletscherwand entlang schieben und überall andere, grandiose Ausblicke auf das Eis eröffnen. 

Der Perito Moreno mag die größte Sehenswürdigkeit der Region sein. Und doch ist er immer noch am Ende der Welt. Und dann, wenn die Sonne tief am Himmel steht und das Thermometer an den Gefrierpunkt fällt, sind längst alle Busse weg. Alle Gruppen beim Abendessen. Und wir haben diesen so berühmten, unfassbar überwältigenden Ort völlig für uns allein.

Patagonien Perito Moreno Highlights

Die letzten Tage

Wir verbringen noch einige Zeit in Argentinien, sehen noch mehr Orte und sind am Ende mehrere Tage in Buenos Aires, bevor wir nach Panama zurückfliegen. Und doch ist es der überwältigende Perito Moreno Gletscher, der uns als letztes großes Highlight Patagoniens in Erinnerung bleibt. Wir belassen es nicht bei dieser einen Begegnung, sondern kommen am nächsten Tag wieder, unternehmen eine Bootsfahrt an die Abbruchkante, sehen die gigantischen Eismassen jetzt von der Wasserhöhe aus und werden hier live Zeugen des Kalben des Gletschers, wenn sich riesige Teile lösen und in das Meer stürzen.

Wir erleben sonnige, milde Tage in El Calafate, übernachten auf einer ursprünglichen Estancia (einem patagonischen Bauernhof) und finden uns bei Null Grad und Schneesturm ohne Heizung in einem zugigen Holzgebäude zwischen Gauchos (argentinischen Cowboys) und traditioneller Schafzucht wieder. Mit braunem Wasser aus der Leitung und Brot, das wir nicht essen können – vielleicht etwas zu authentisch.

Es ist das Abenteuer, das Patagonien ausmacht. Wohl auf keiner unserer bisherigen Reisen lagen Freud und Leid, unfassbare Schönheit und schwierige Reisebedingungen so dicht beieinander wie hier im äußersten Süden Südamerikas.

Was ist es, das von einer Reise bleibt?

Sind es die Erinnerungen? Die Fotos? Die Begegnungen?

Eine Freundin meinte einmal, sie würde ihr Geld nicht für Reisen ausgeben, sondern lieber für neue Kleidung und Sachen. Eine Reise dauere nur zwei Wochen und dann sei das Geld weg. Von neuen Anschaffungen habe sie länger was.

Es fiel mir sehr schwer, das zu verstehen.

Weiß sie es denn nicht?

Weiß sie denn nicht, dass eine Reise für den ganzen Rest des Lebens bleibt?

Eine Reise dauert für uns niemals nur zwei Wochen. Sie begleitet uns für den Rest unseres Lebens. Es sind die Erinnerungen, die Fotos, die Begegnungen, die bleiben. Vor allem aber ist es die Veränderung in uns selbst. Das neue Gefühl. Wir kommen von einer Reise niemals als die Menschen wieder, als die wir vor einigen Tagen oder Wochen unsere Koffer gepackt haben und losgefahren sind. Wir sind mehr. Reicher. Erfahrener. Ein Teil von uns ist erwacht, den wir vorher vielleicht kaum gespürt hatten.

Was von einer Reise bleibt, ist das Gefühl, völlig fremde Orte, von denen wir vorher nur in Berichten gelesen hatten, plötzlich selbst zu kennen.

Fitz Roy Patagonien

Der vertraute Duft eines exotischen Gewürzes, der uns im Bruchteil einer Sekunde zurück an diesen Ort bringt. Die Farben eines Sonnenuntergangs, die uns ehrfürchtig werden lassen. Der eiskalte Wind im Gesicht, der uns die Tränen in die Augen treibt und den wir nie eintauschen würden gegen einen Abend vor dem Fernseher. Was von einer Reise bleibt, sind die lachenden fremden Gesichter, die zu Freunden wurden. Die fremde Sprache, die plötzlich so vertraut ist.

Was von einer Reise bleibt, sind die Geschichten. Die Flüstertöne der Natur in den Blättern riesiger Bäume und das Grollen eines Wasserfalls in der Ferne. Was von einer Reise bleibt, ist die Sehnsucht, die uns immer wieder hinaus in die Welt treibt, um noch mehr von ihrem Zauber zu entdecken. 

Eine Sehnsucht, die uns lehrt, dass das wahre Geschenk des Reisens nicht die Destinationen sind, die wir erreichen. Sondern die Spuren, die sie für immer in unseren Herzen hinterlassen. 

Patagonien

Patagonien, wir danken dir. 

Wir danken dir für deine raue Wildnis. Für jeden Wind. Für die überwältigenden Farben. Für das Geschnatter der Pinguine. Wir danken dir für das Lachen mit Fremden. Für das Fluchen bei der Besteigung der Berge und für die überwältigende Freude auf dem Gipfel. Wir danken die für Blicke in die Augen wilder Pumas. Für leise rieselnden Schnee. Für die Magie. Für das Abenteuer. Für jeden Tag.

Reisebericht Patagonien individuell reisen

Komm mit uns an das Ende der Welt

Patagonien hat uns überwältigt. So überwältigt, dass wir die Region nicht nur noch mal erleben, sondern diese Reise auch mit dir teilen wollen. Nächstes Mal nicht nur auf dem Papier, sondern ganz real! Wenn du Lust hast, mit uns und einer kleinen Gruppe Fotobegeisterter nach Patagonien zu reisen, die atemberaubende Wildnis der Abgeschiedenheit zu erleben und zusammen mit uns zu fotografieren, komm mit auf unsere Fotoreise!

Alle Infos findest du hier: Fotoreisen nach Patagonien

Autor

Ich bin Sina, Mitbegründerin von Lichter der Welt, Fotografin und leidenschaftliche Weltenbummlerin. Ich liebe Natur, Freiheit, die Sonne auf meinem Gesicht und den Wind in meinen Haaren. Schon als Kind saß ich fasziniert vor dem Globus und malte mir aus, die Weite dieser Welt zu entdecken. Heute lebe ich diesen Traum und sammle Tipps, Inspirationen und Erfahrungen für dich!

12 Kommentare

  1. Liebe Sina, lieber Jan,

    danke für diesen fesselnden Reisebericht mit wunderschönen Beschreibungen und faszinierenden Fotos, dennoch ist dieser Satz:
    “Eine Sehnsucht, die uns lehrt, dass das wahre Geschenk des Reisens nicht die Destinationen sind, die wir erreichen. Sondern die Spuren, die sie für immer in unseren Herzen hinterlassen. ”
    für mich fast der wichtigste, weil er für alle Orte gilt, zu denen wir uns begeben, sei es in Patagonien oder bei einem ehemaligen Truppenübungsplatz in Brandenburg

    liebe Grüße, Ralf

    • Hey Ralf,
      ganz genau so sehen wir es auch: es ist nicht wichtig, wo wir schon überall gewesen sind und wie viele Länder wir ansammeln, sondern wie wir diese wertvollen kleinen oder großen Ausflüge erleben, mit wem zusammen und was wir daraus mitnehmen.
      Ganz liebe Grüße
      Sina

  2. Karl-Heinz Thöner Antworten

    Lieber Sina, lieber Frank.
    generell betrachte ich mit großem Interesse Eure tollen Beiträge und fachlichen Tips rund um das Thema fotografieren!
    Aber Euer Bericht und die atemberaubenden Fotos sind faszinierend! Besonders von der Fotos von Landschaften und Tieren bin ich schwer beeindruckt. Wenn ich auch auf Grund meines Alters (73) nicht mehr an solch einer Reise teilnehmen kann, möchte ich mich sehr dafür bedanken, dass Ihr mich durch Euren Bericht an der Reise gedanklich habt teilnehmen lassen.
    Mit lieben Grüßen
    Karl-Heinz

    • Lieber Karl-Heinz,
      danke für die lieben Worte. Es freut uns sehr, dass wir dich virtuell mitnehmen konnten auf diese besondere Reise!
      Liebe Grüße auch von Jan (nicht Frank 😉 )
      Sina

  3. Liebe Sina,
    tolle Bilder! Das weckt Erinnerungen. Ich war selbst vor ca. 15 Jahren an den Gletschern und sie gehören zu den beeindruckendsten Naturschauspielen, die ich je gesehen habe. Der Fitz Roy war allerdings immer nebelverhangen…

    • Liebe Petra,
      Wahnsinn, vor 15 Jahren war es dort bestimmt noch extrem ruhig, oder? Schade, dass ihr den Fitz roy damals nicht sehen konntet. Wir habe echt Glück gehabt und sind unheimlich dankbar dafür.

      Ganz liebe Grüße
      Sina

  4. Moin Sina!
    Euer Reisebericht war so wunderbar nachvollziehbar und brachte mich wieder zurück in diese zauberhafte und einmalige Landschaft, die wir im dortigen Frühling erleben durften. Es macht einen sehr demütig angesichts dieser grandiosen Natur. Vielen Dank!

    • Hey Ines,
      wie schön, dass du Patagonien ganz genau so empfunden hast. Ich glaube für jeden, der die Natur liebt, ist dieser Ort magisch!

  5. Waltraud Johanns Antworten

    Hallo,
    auch wenn ich mich persönlich zu alt für solche strapaziösen Reisen halte, war ich sehr beeindruckt von diesem umfangreichen Reisebericht und den entsprechenden Fotos. Vielen Dank fürs Mitnehmen an diesen magischen Orten unseres Planeten.
    Liebe Grüße,
    Waltraud

    • Hallo Waltraud,
      wie schön, dass wir dich virtuell mitnehmen konnten. Das freut mich immer besonders. Danke für die lieben Worte!

      Liebe Grüße
      Sina

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