Flussdelfine springen aus dem Wasser, Boas hängen an den Bäumen, bunte Papageien fliegen über die Baumwipfel, Jaguare streifen durch die endlosen Wälder und indigene Völker jagen mit Speeren nach Wildschweinen und Fischen: Das war sie, unsere Vorstellung vom Amazonas, von diesem Mythos aus mächtigem Fluss und unendlichem Dschungel, fernab jeder Zivilisation; fernab von allem, was wir kennen. Wer hätte gedacht, wie nah wir damit an der Wirklichkeit lagen. Komm mit uns auf eine Reise tief in den Amazonas-Regenwald Perus, auf eine Tour über den sagenumwobenen größten Fluss der Welt.

Werbung, Hinweis: Unsere Reise auf dem Amazonas haben wir in Kooperation mit Naturamerica Reisen durchgeführt. Dieser Bericht zeigt trotzdem allein unsere eigenen Erfahrungen und Meinungen.

Auf ins Abenteuer

Blau schimmernde Eisvögel jagen über unsere Köpfe hinweg. Eisvögel, fast wie Mückenschwärme: Sie sind überall. Gleich fünf Arten dieser wunderschönen Vögel gibt es hier, wo wir sie überhaupt nicht erwartet hätten: Mitten in den feuchtheißen Tropen des Amazonas-Regenwald, am Ufer des mächtigsten Flusses der Welt. Sie lauern auf Ästen, stürzen ins Wasser oder begleiten unser kleines Boot, das über einen schmalen Seitenarm des Amazonas dahingleitet – dem Sonnenaufgang entgegen.

„Da sind Affen!“ ruft unser Guide und sofort drehen sich alle Augen nach links, sind auf die schwarzen Punkte gerichtet, die am Ufer von Ast zu Ast springen. „Schaut, sie hat ein Baby auf dem Rücken“, ruft eine Frau aufgeregt. 10 Menschen sind wir auf dem kleinen Motorboot, und wir beide die einzigen Fotografen. Unsere Kameras glühen, und der Tag hat noch nicht einmal angefangen. 6 Uhr morgens ist es, noch weit vor dem Frühstück. Und wie jeden Tag ist unser Abenteuer Amazonas schon in vollem Gange.

Schifffahrt auf dem Amazonas in Peru

Mit dem Schiff über den Amazonas. „Habt ihr Lust darauf?“ Als wir diese Anfrage von unserer Partneragentur bekommen, halten wir erstmal inne. Mit dem Schiff? Eine Amazonas Kreuzfahrt? Wir sind keine Fans solcher Reisen, möchten aus vielen Gründen nicht unsere Tage zwischen Buffet, Menschenmassen und Drinks in einem schwimmenden Hotel verbringen.

Warum wir keine Kreuzfahrten machen

Aber die Tour, um die es geht, hat wenig gemeinsam mit den großen Kreuzfahrten. Nicht Tausende Passagiere werden auf unserem Schiff sein, sondern nur etwa 20. Es wird nicht darum gehen, den ganzen Amazonas hinunterzufahren, sondern wir werden ein kleines Gebiet des Amazonas in Peru erkunden. Die meiste Zeit verbringen wir in zwei Gruppen auf kleinen Motorbooten, mit denen wir drei oder vier mehrstündige Fahrten am Tag machen, begleitet von indigenen Guides aus der Region, nicht vom amerikanischen Animateuren. Auf der Suche nach wilden Tieren, zu Besuch bei den am Fluss lebenden Völkern, zu Fuß auf Dschungelexpeditionen. Nicht erholsam, sondern anstrengend wird es werden, feucht und heiß. Und das Essen sei gut!

Wir sagen zu. Den Amazonas zu erkunden – nicht nur den Dschungel, sondern auch den Fluss selbst – ist schon lange einer unserer Reiseträume. Ein Traum, der sich nur schwer verwirklichen lässt, denn in der Wildnis des Amazonas ist es vor allem: Wild. Schon die Anreise ist aufreibend, und in einer so abgelegenen Region, in der uns fast alles töten will, angefangen beim Wasser, hätten wir gerne etwas Komfort und Sicherheit. Aber die gibt es hier nichtl! Wir verbringen jedes Jahr mehrere Monate in den Tropen Panamas, leiten eigene Reisen in den Dschungel, aber der Amazonas ist eine andere Nummer. Hier ist man wirklich fernab von allem, was die uns bekannte Welt ausmacht.

Zwei Wochen werden wir in dieser Wildnis, dieser Schatzkiste der unvergesslichen Erfahrungen und einmaligen Begegnungen verbringen. 7 Tage davon an Bord der La Perla.

La Perla Amazonas Schiff
Die La Perla ist ein kleines, luxuriöses Flussschiff mit drei Decks. Die Kabinen befinden sich in der mittleren Etage.

7 Tage auf der La Perla

„Das ist Ronald, er ist Notfallmediziner. Egal wo wir hingehen, er wird uns überall begleiten“, stellt unser Guide Daniel den Arzt an Bord vor. Ronald zeigt seinen großen Rucksack mit Amazonas-Apotheke: Elektrolyte, Verbandsmaterial, Gegengifte. Ein Mediziner wird auf Schritt und Tritt mit uns mitkommen? Ist das nicht übertrieben? Wir werden noch erfahren, dass es das nicht ist.

„Wir machen jeden Tag drei oder vier Exkursionen, die erste meist vor dem Frühstück“, erklärt Daniel. „Ihr werdet alles sehen, was ihr euch vom Amazonas erhofft, und noch viel mehr. Fragt mich nicht, wie das Wetter wird – ich weiß es nicht – oder welche Tiere wir sehen werden – ich weiß es nicht. Ich weiß, dass wir alles sehen werden. Aber nicht, wann. Außer Mücken. Die werden wir jeden Tag sehen. Benutzt Spray!“

Gelbfieber, Malaria, Dengue, Zika, Chikungunya… alle exotische Krankheiten, die uns einfallen, gibt es hier. Die eine Hälfte wird von den tagaktiven Mücken übertragen, die andere Hälfte nachts. Es heißt also: Impfungen, Prophylaxe-Tabletten. Und Stiche vermeiden mit langer Kleidung und Spray, Spray, Spray. Tatsächlich, ich nehme das mal vorweg, ist es teilweise gefühlt mückenfrei, an einem anderen Tag ist die Luft so voller Mücken, dass man sie einatmet. Gestochen werden wir kaum – nach der Reise werden wir weniger Stiche haben als nach einem lauen Sommerabend in Deutschland. Mehrere Dosen peruanisches Mückenspray werden dafür gesorgt haben.

„Wir werden über Hängebrücken durch den Dschungel wandern und wir werden an einer schamanischen Zeremonie teilnehmen. Wir werden große Würgeschlangen sehen und niedliche Faultiere, Affen, Papageien und Adler. Wir werden indigene Dörfer besuchen und Bäume mit ihnen pflanzen, die hiesigen Märkte besuchen, Piranhas angeln und mit Einbäumen den Amazonas entlang paddeln.“ Das Programm klingt nach dem perfekten Amazonas-Erlebnis. Noch können wir gar nicht glauben, dass wir all dies in den nächsten sieben Tagen wirklich erleben sollen.

An Bord

20 Passagiere sind wir auf der La Perla, bunt zusammengewürfelt aus der ganzen Welt. Wir beide Deutsche sind zusammen mit einem Paar aus Dänemark die einzigen Europäer. Kanadier und US-Amerikaner sind dabei, außerdem Mexikaner, Chilenen, Argentinier, Peruaner, eine Inderin und ein Chinese. Angenehme Menschen, allesamt. Ruhig, gebildet, freundlich, offen, vielgereist und sehr naturinteressiert. Die perfekte Gruppe für so eine Reise. Die offiziellen Bordsprachen sind Englisch und Spanisch. Unser Guide Daniel bemüht sich um einige Sätze Deutsch, er lernt es seit drei Jahren. Außerdem spricht er Französisch und Portugiesisch, neben seiner indigenen Muttersprache natürlich. Noch beeindruckender wird sein, wie gut er den Dschungel und seine Bewohner kennt. Wir werden es in sieben Tagen nicht schaffen, ihm eine Frage über die Natur oder die Kulturen am Fluss zu stellen, die er nicht beantworten kann.

Die La Perla ist ein typisches Flussschiff, flach und hübsch, drei modern gestaltete, super saubere Decks. Eine große, offene Bar, ein schönes Restaurant, Hängematten auf dem offenen Deck. Unsere Kabine ist recht klein – eine Schiffskabine eben – aber außer zum Schlafen werden wir sowieso keine Zeit hier verbringen. Ausgestattet sind die Kabinen aber prima: mit eigenem Bad und Klimaanlage, die Betten bequem. Das beste? Ein riesiges Fenster zum Fluss und Dschungel. Drei Mal am Tag werden die Kabinen gereinigt, die Handtücher gewechselt und kunstvoll zu immer neuen Figuren gefaltet, Geschichten über die Sagen des Dschungels auf die Betten gelegt, kleine Souvenirs daneben arrangiert. Der Service auf dem Schiff ist unfassbar. Schon nach dem ersten Tag kennt die gesamte Crew – nicht nur die Guides, sondern auch jeder Kellner – unsere Namen, Vorlieben, Ansprüche.

Im Restaurant erwarten uns neben diesem exzellenten Service jeden Tag regionale Speisen: Fisch aus dem Fluss, tropisches Obst und Gemüse, exotische Säfte aus Früchten, von denen wir noch nie gehört haben, weil sie nicht exportiert werden. Das Essen ist fantastisch zubereitet und immer kunstvoll angerichtet zu Figuren oder Tieren, das Restaurant zu jeder Mahlzeit anders kreativ eingedeckt. Es ist ein Traum. Das Schiff ist perfekt. Eigentlich würden wir am liebsten gar nicht mehr weg.

Aber Moment, dafür sind wir ja gar nicht hier. Auf uns wartet der Dschungel! 

Nachts auf dem Amazonas

Es ist immer noch heiß, obwohl es längst Nacht ist. Nur der leichte Fahrtwind kühlt unsere Haut, während wir auf dem kleinen Boot langsam den Seitenarm des Amazonas entlangfahren. Der Motor unseres Bootes ist erstaunlich leise, er wird bei Weitem übertönt von den Geräuschen des Dschungels in der Nacht. Dem Surren der Zikaden, dem Schreien der Tiere, die wir beim besten Willen nicht zuordnen können. Vögel? Affen? Die Lichtkegel der Taschenlampen unserer Guides huschen über die Ufer. Was verbirgt sich in der Dunkelheit der Nacht? Schlangen? Raubtiere? Tellergroße Taranteln? Daniel ist auf der Suche nach Kaimanen. Immer wieder findet er ein Augenpaar, das argwöhnisch aus dem Wasser hervorlinst. Zum Fotografieren ist es viel zu dunkel, aber als Erlebnis ist die Fahrt wunderschön. 

„Das sind Baby-Kaimane“ erklärt Daniel. „Da ist eins, und dort, und auf der anderen Seite auch.“ Uns ist schleierhaft, wie er die Tiere so gut finden kann, aber er ist hier aufgewachsen, in der Natur des Amazonas, mit all seinen Gefahren, Herausforderungen und Geheimnissen. „Lasst uns noch Schlangen und Taranteln suchen.“ Taranteln finden wir, Schlangen nicht. Am schönsten wird es aber, als die engen Ufer des Seitenarms sich zu einer Art See verbreitern. Ein See mit tausend Lichtern. Die Guides machen die Taschenlampen und den Motor aus, plötzlich ist es ganz still und unheimlich dunkel. Außer auf dem See. Glühwürmchen. Tausende der kleinen Tiere leben im Schilf auf der riesigen Wasserfläche. Es ist ein überwältigender Anblick. „Ich habe so etwas noch nie gesehen“, flüstert eine Amerikanerin, Tränen laufen ihr über die Wangen.

Vom Boot aus können wir in dieser Dunkelheit nicht fotografieren. Dieses Bild für die Götter – es wird sich statt auf unseren Sensor in unserem Gehirn verewigen.

Die Tiere am Amazonas in Peru

„Morgens sind die Tiere am aktivsten“, sagt Daniel und predigt damit einen unserer typischen Fotoreise-Sätze. „Sorry, dass ihr um 5 Uhr aufstehen müsst, aber ihr werdet uns dankbar sein.“ Wir wissen, dass er Recht hat, aber Dankbarkeit ist nicht das, was unsere Gruppe gerade empfindet, während wir in der typischen Duftwolke von Moskitospray in die zwei Boote klettern. Gummistiefel, lange Hosen. Nicht nur eine Bootsfahrt, sondern auch eine kurze Wanderung steht heute Morgen an. Es ist Regenzeit, der Dschungel schlammig. Aber auch unseren Mediziner beruhigt es wohl, wenn wir bis zum Knie schonmal sicher vor Schlangen sind. 

Die Artenvielfalt des Amazonas ist überwältigend. 1300 Vogelarten wurden hier bisher beschrieben, 430 Säugetierarten, über 400 Amphibien, über 400 Reptilien und 8000 Insektenarten. Es ist ein Biotop, das es so nicht noch einmal gibt auf der Welt. Trotz der Raubtiere und der unzähligen Giftschlangen das gefährlichste Tier von allen: die Mücke. 16.000 Baumarten gibt es im Amazonas (zum Vergleich: In Deutschland sind es 77). Insgesamt sind ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten hier beheimatet: Ein unfassbares Ökosystem, gleichzeitig gigantisch und extrem fragil. Bis heute werden noch jedes Jahr viele neue Tierarten in diesem Paradies entdeckt (Spiegel-Artikel: Mindestens 27 Arten neu entdeckt).

Faultier Peru Amazonas
Faultiere sind an den Ufern des Amazonas häufig zu sehen

Viele der Tiere, die um uns herum schwimmen, klettern, fliegen und schleichen kennen wir aus Panama. Brüllaffen und Tukane, Kaimane und Faultiere, Ozelots und Pfeilgiftfrösche. Und doch – so unheimlich viel hier ist völlig neu für uns. Rosa Flussdelfine, Wollaffen, Hyazintharas, Manatees, Riesenotter, Anakondas, Capybaras.

„Da ist eine Schlange!“, ruft Katia, eine 30-jährige Peruanerin, die die Reise durch ihr eigenes Land gemeinsam mit ihrer Mutter macht. Sie zeigt direkt neben unser Boot. Und tatsächlich, eine etwa zwei Meter lange Schlange schlängelt sich durch die Wasseroberfläche. Sie ist unbeeindruckt von uns, schwimmt züngelnd neben unserem Boot her. „Sie überquert den Fluss“, erklärt Daniel ruhig. „Sie lebt eigentlich am Land, aber kann schwimmen.“ Und dann, endlich, als die Ersten anfangen, ihre Handys in Richtung Schlange auszustrecken: „Nehmt die Hände ins Boot. Das ist eine Lanzenotter. Die gefährlichste Schlange im Amazonas.“ Unser Mediziner atmet auf. Man sieht ihm an, dass Daniel ihm eine Spur zu beruhigt für so eine gefährlich nahe Begegnung ist. Die Bothrops atrox, die wir hier gerade sehen, ist für den Großteil der Schlangengift-Toten in Südamerika verantwortlich. Sie ist nicht nur sehr giftig, sondern auch sehr aggressiv. Während Jan die Schlange fotografiert, tausche ich Blicke mit dem Mediziner aus. „Das Gegengift gibt es in dieser Region fast gar nicht, da es so teuer und kurz haltbar ist. Ich habe es dabei.“ Er schaut mit nicht übersehbaren Stolz auf seinen Rucksack, den er eng umschlungen hält. Unglaublich, wie nah Gefahr und Luxus auf dieser Reise beieinander liegen.

„Ich weiß, wo es hier Affen gibt“, sagt Daniel, als wir Begeisterung und Schock unserer Begegnung mit der Lanzenotter überwunden haben. „Wir legen dort drüben an, und dann laufen wir ein Stück.“ Und tatsächlich. Es ist nur ein kurzer Spaziergang durch den Dschungel, als eine Familie Wollaffen über uns hinweg springt. „Sie wollen zu den Bananen“, prophezeit Daniel. „Da hier eine Lodge in der Nähe ist, sind sie Menschen ein bisschen gewohnt. Kommt, wir gehen mit!“ 

Wie immer im Dschungel ist der ISO unserer Kameras auf Anschlag. Aber die drei Wollaffen zu fotografieren, wie sie in den Bäumen hängen und Bananen essen, ist ein besonderes Erlebnis. Was wir am Amazonas lieben: Anders als in Costa Rica und vielen asiatischen Ländern sind die Affen hier noch echte Wildtiere: selbstständig und scheu. Sie sitzen immer in sicherer Distanz zu uns in den Bäumen, würden nicht freiwillig auf uns zukommen. Wir beobachten uns gegenseitig, greifen aber nicht ein, füttern nicht, und die Affen belagern uns nicht. Im Moment noch sind die Begegnungen hier im Amazonas geprägt von gegenseitiger Neugier und Respekt.

Indigene Völker am Amazonas

300 verschiedene indigene Völker leben an den Ufern des Amazonas. Sie sprechen ihre eigene Sprachen, leben ihre eigenen, uralten Kulturen und Bräuche. Einige der Völker leben mit nur wenig oder völlig ohne Kontakt zur restlichen Zivilisation (Organisationen schätzen die Anzahl isolierter Völker in Peru auf 15–25). Die meisten Völker aber haben mehr oder weniger Kontakt zu Mehrheitsgesellschaft, betreiben beispielsweise Handel auf den Märkten am Fluss. Während unserer Tour mit der La Perla wundern wir uns immer wieder, wie oft wir kleine Dörfer aus Holzhütten am Amazonas sehen. Indigene Dörfer, natürlich ohne Strom oder fließendes Wasser, in denen Kinder zwischen den kleinen Einbaumbooten spielen, die am Ufer liegen.

Indigene Dörfer Amazonas
Holzhütten auf Stelzen zwischen Bäumen: Eine typische indigene Siedlung am Amazonas

„In so einem Dorf bin ich aufgewachsen“, sagt Daniel, als wir uns einem der Dörfer auf unserem kleinen Boot nähern. Es ist unglaublich, wie unterschiedlich die zwei Welten sein müssen, die in ihm aufeinander prallen. In ihm, der mittlerweile sieben Sprachen spricht und Touristen aus der ganzen Welt seine so ursprüngliche, wilde Heimat zeigt. Sechs indigene Dörfer besuchen wir auf unserer Reise mit der La Perla. Wir tauchen in die Kulturen ein – so gut das mit einer Gruppe aus 20 westlichen Personen eben möglich ist –, beteiligen uns an Baumpflanzaktionen, wildern gefährdete Schildkröten aus, helfen bei der Schmetterlingszucht (Schmetterlinge sind wichtige Bestäuber vieler Pflanzen, aber der Bestand geht dramatisch zurück) und werden von einer Schamanin in medizinische Traditionen und Rituale eingeführt. Fast können wir nicht glauben, dass das alles hier echt ist. Dass auch so das Leben in unserer Welt ist. Dass wir genauso gut auch hier hätten geboren worden sein und ein Mensch hier hätten sein können.

Der Amazonas in Peru ist eine andere Welt. Eine Welt, die ihre Traditionen erhält und mit uralten Problemen wie dem parasitenbelasteten Wasser des Flusses kämpft, und sich gleichzeitig gegen neue Bedrohungen wie dem Klimawandel, dem Artensterben, der Waldrodung und der Expansion von Ölkonzernen beschäftigen muss. 

Die Menschen am Amazonas, sie sind hart. Wenn sie die ersten zwei Jahre ihrer Kindheit überleben, sind sie immun gegen die Krankheitserreger im Flusswasser (die uns sofort dahinraffen würden). Sie jagen und essen jedes Tier, das es hier gibt und leben ganz selbstverständlich mit den Gefahren aus dem Wasser (Krokodile, Parasiten, Piranhas), der Luft (Mücken) und dem Land (Schlangen, Raubtiere). Weil sie so gut darin sind, Tiere zu fangen, verkaufen einige von ihnen ihre Beute jede Woche auf den Märkten der größeren Städte an Händler und Schmuggler, die die seltenen Papageien, Schildkröten oder Äffchen nach Europa und Nordamerika schleusen – als Haustiere oder für Zoos für die westliche Belustigung. Andere Indigene versuchen, dagegen zu kämpfen, wollen ihre Mitmenschen aufklären über die Probleme und Folgen des Wildtierhandels. Die Meinung ist aber fast einhellig: Wenn sich die Nachfrage in Europa und den USA nicht ändert, wird sich hier auch nichts ändern. Solange wir glauben, exotische Tiere in unseren Wohnzimmern halten zu müssen, werden sie aus dem Dschungel verschwinden.

Es ist Wahnsinn, nach einem Tag in einem indigenen Dorf zurück auf das komfortable, klimatisierte Schiff zu kommen, im keimfreien Touristen-Wasser der Dusche die indigene Gesichtsbemalung abzuwaschen, die sie uns tagsüber verpasst haben. Eine Dusche – wir sind uns sicher, dass die Menschen, mit denen wir noch vor einer Stunde ganz normal geredet haben, die genau so sind wie du und ich, sich nicht einmal vorstellen könnten, was das ist. 

Die zwei Welten, sie prallen nicht nur in unseren Guide Daniel aufeinander. Sondern auch in jedem von uns.

Abenteuer im Dschungel

„Nehmt unbedingt eure Kameras mit“, schwört Daniel Jan und mich ein. Er weiß, dass wir den Wunsch haben, große Würgeschlangen zu sehen. Und während Daniel uns jeden Tag Hoffnungen darauf machte, ist er sich heute, am letzten Abend unserer Amazonas-Reise, besonders sicher. Fast überlegen wir, nicht mitzugehen. Wir sind erschöpft. Erschöpft von all den Eindrücken, all den Touren, dem Klima, den körperlichen Anstrengungen, der psychischen Überwältigung der Ferne. Zum Abschluss steht heute eine Dschungelwanderung auf dem Programm. Eine Wanderung durch Schlamm und Mücken. Reizt uns das heute wirklich? Die Cocktails auf dem Schiff sehen verführerisch aus. Hängematten. Eine kühle Brise. Den Körper und die Seele baumeln lassen.

Natürlich gehen wir mit. Wir gehen immer mit. Man sagt, dass man später eher bereut, was man nicht getan hat, als was man getan hat, und fast immer hat sich das für uns bewahrheitet. Also schließen wir uns der heute recht kleinen Gruppe an. Die letzte Expedition. Die Gummistiefel stehen schon bereit.

„Der Weg ist steil“, sagt Daniel, und die Stimmung hellt sich nicht auf. „Hier gibt es viele Amphibien und Reptilien. Die suchen wir heute. Ein Mann aus einem benachbarten Dorf wird uns helfen. Er arbeitet mit Forschern zusammen und ist geübt darin, die Tiere zu finden.“

Irgendwo auf dem Weg treffen wir ihn, den Mann aus dem benachbarten Dorf. Seinen Namen erfahren wir nicht. „Er geht nicht mit uns auf dem Weg, sondern quer durch den Wald“, erklärt Daniel. Unter dem dichten Blätterdach des Dschungels ist es fast schon dunkel, und der Mann mittlerweile auch schon verschwunden. Nur vielleicht fünf Minuten vergehen, als sich unser Helfer zurück meldet. Während ich mich noch wundere, wie er sich hier überhaupt orientieren kann, fragt er gefühlt beiläufig, ob jemand eine Schlange sehen möchte. Wir müssten aber vom Weg heruntergehen. Die Hälfte der Gruppe geht. Wir auch, wie immer. Ich frage mich, ob die Schlange überhaupt noch da ist. Erwarte eine kleine, schwarze Schlange, wie man sie meistens sieht. Seine Begeisterung war ja eher verhalten. Dann sind wir da. Mit der Taschenlampe leuchtet er auf eine wunderschöne Anakonda.

Anakonda Amazonas Schlangen

Aufgerollt auf einem abgebrochenen Baumstamm sitzt sie da. Ein wunderschönes, beeindruckendes Tier. Seit ich als Kind das erste Mal in einem Tierbuch von Anakondas gelesen hatte, war es mein Wunsch, einmal eine zu sehen, aber je älter ich wurde, desto mehr wurde mir bewusst, wie aussichtslos dieser Traum war. Und nun sind wir hier, irgendwo mitten im Amazonas-Regenwald, knietief im Schlamm mit zwei indigenen Führern, und stehen diesem spektakulären Tier gegenüber.

„Wir können nach Hause gehen“, sage ich zu Daniel, „wir haben alles gesehen“. Es ist mein Ernst. Alle Wünsche, alle Erwartungen, die wir an diese Tour hatten, wurden meilenweit übertroffen. Der Punkt absoluter Zufriedenheit war erreicht. „Er wird noch andere Tiere finden“, sagt Daniel und behält Recht. Es dauert nur wenige Minuten.

Wandern Amazonas
Die Wege durch den Amazonas Regenwald sind eng, dunkel und mystisch. Sich in diesem grünen Meer aus Blättern zu orientieren, ist für uns unmöglich.

„Diese Schlange ist näher“, sagt der Guide wieder recht tonlos, als er sich seinen Weg durch das Gestrüpp zur Gruppe bahnte. „Kommt!“ Wir folgen ihm. „Passt auf, sie hasst die Taschenlampen.“ 

„Sie“ ist eine riesige Boa constrictor. Von einem Ast herab baumelt sie, nur etwa zwei Meter von uns entfernt. Wir sind sprachlos. Die Anakonda und die Boa, zwei der größten Schlangen der Welt, so wenige Minuten nacheinander so verdammt nah. Wie viele Tiere findet man hier, wenn man weiß, wo man gucken muss?
Dass wir die Schlange stören, macht sie mit ihrem wütenden Zischen in unsere Richtung klar. Wir bleiben nur wenige Minuten. Können in der mittlerweile absoluten Dunkelheit zum Glück drei Fotos machen, bevor wir uns zurückziehen.

Der Guide zeigt uns noch einige bunte Pfeilgiftfrösche, gelb, blau, orange, bevor wir entscheiden, umzukehren. In uns wohnt ein tiefes Gefühl von Erschöpfung und Glückseligkeit. Was für eine Tour. Was für ein Erlebnis. Was für eine unfassbare Region. Wir möchten uns bei unserem namenlosen Guide, dem beeindruckenden Tierexperten, bedanken, ihm Trinkgeld geben. Aber er ist schon lange wieder im dunklen Dickicht des Dschungels verschwunden. Ob er den Hauch einer Ahnung hat, dass wir ihn niemals vergessen werden?

Angekommen auf dem kleinen Boot ziehen wir uns zum letzten Mal die Gummistiefel aus. Die Cocktails warten. Die Verbindung unserer beiden Welten fühlt sich gleichzeitig so falsch und so richtig an.

Das Amazonas-Gefühl

Martin, der Barkeeper, begrüßt uns auf dem Boot mit einem kühlen Getränk aus Camu-Camu, einer exotischen lokalen Frucht, die wir in den letzten Tagen kennen- und lieben gelernt haben. „Willkommen“, sagt er. „Oben gibt es Pisco für den halben Preis.“

Die Band, die uns jeden Abend mit Livemusik verzaubert, dreht heute Abend besonders auf. Sie setzt sich zusammen aus einigen Personen aus der Küche, dem Service, dem Housekeeping. Talentierte Menschen, die wir in unserer Zeit des engen Zusammenlebens schon richtig liebgewonnen haben. Der Pisco zum halben Preis ist heute eine besonders gute Idee, ebenfalls das leckere Fingerfood, das passenderweise direkt neben den Hängematten serviert wird.

Ein letztes Mal legt sie ab, die La Perla. Zu den rhythmischen Klängen peruanischer Musik fahren wir durch die sternenklare Nacht Richtung Nauta. Hier wird morgen unsere Reise im Gewusel der Märkte und Tuktuks enden, ein Bus wird uns nach Iquitos (die größte Stadt am Amazonas) bringen, dann irgendwann ein Flugzeug nach Lima.

Wir werden morgen noch zusammen mit der Gruppe verbringen, Nauta erkunden, Streetfotos machen, Tuktuk fahren und über den Markt laufen. Auch ein Besuch des Manatee Rescue Centers steht auf unserer Fahrt nach Iquitos noch an. Aber dieser Abend jetzt gehört nochmal der La Perla, dem Amazonas und der Musik. Die letzten Kilometer fahren wir über den riesigen Fluss, der meist zwischen vier und zehn Kilometer breit ist. Es ist Regenzeit, das Wasser steht besonders hoch, viel Land ist überschwemmt, was uns die Möglichkeit gegeben hat, mit dem Boot kleine Seitenarme zu erkunden und weit in den Dschungel hineinzufahren. Regen selbst? Hatten wir kaum.

Kreuzfahrt auf dem Amazonas Reisebericht

Der Amazonas, er ist so, wir wir uns ihn vorgestellt haben. Mächtig. Fragil. Überraschend und bezaubernd, voller Wunder, Geheimnisse und Geschichten. Voller Menschen, die ihn zerstören und voller Menschen, die ihn schützen. Voller gefährlicher Kreaturen und Krankheiten und voller Schönheit, magischer Begegnungen, Resilienz, Tapferkeit und Härte. Es sind die leuchtenden Glühwürmchen und die krächzenden Papageien, die wir nie vergessen werden, das Lachen der Kinder und die Legenden der alten Völker. Die Freundlichkeit der Menschen an Bord, die neuen Freunde aus aller Welt, die wir hier gefunden haben. Schon jetzt sind wir uns sicher, dass wir irgendwann wiederkommen werden. Hier hin, in den größten Regenwald der Erde. Jetzt nicht mehr, weil wir Boas, Faultiere und Eisvögel sehen wollen. Sondern für das Gefühl, das hier so unglaublich ursprünglich ist, wie wir es fast nirgendwo auf der Welt sonst erlebt haben. 

Mehr Infos zur Reise mit der La Perla
Die Reise mit der La Perla auf dem Amazonas kannst du bei unserer Partneragentur Naturamerica Reisen buchen und sie zum Beispiel auch mit anderen Abenteuern in Peru kombinieren. Alle weiteren Infos findest du hier: Naturamerica Reisen

Autor

Ich bin Sina, Mitbegründerin von Lichter der Welt, Fotografin und leidenschaftliche Weltenbummlerin. Ich liebe Natur, Freiheit, die Sonne auf meinem Gesicht und den Wind in meinen Haaren. Schon als Kind saß ich fasziniert vor dem Globus und malte mir aus, die Weite dieser Welt zu entdecken. Heute lebe ich diesen Traum und sammle Tipps, Inspirationen und Erfahrungen für dich!

4 Kommentare

  1. Andreas Helweg Antworten

    Das ging ja schnell, vielen Dank für Eure Antwort! Dann muss ich ja viel schleppen 😉
    Ich werde noch mal überlegen, ob wirklich alle drei Objektive in den Rucksack müssen. Vielleicht ist das 100-400 der beste Kompromiss zwischen Lichtstärke und Reichweite – das sind ja auf Vollformat umgerechnet immerhin 150-600 und mit ISO 12.800 und ein wenig Softwareunterstützung im Postprocessing und Cropping sollte das wohl gehen..
    Euch eine gute Zeit
    Herzlicher Grüße
    Andreas

    • Ja, das 100-400 kann ein guter Kompromiss sein. Oder beide Objektive auf die Reise mitnehmen und dann für jede Tour einzeln entscheiden. Jeden Tag alles mitnehmen werden wir nie 🙂
      1-2 Monate vor Panama treffen wir uns alle zu einem Online-Kennenlernabend, wo wir nochmal einzeln bzgl. der Equipmentfragen beraten. Auch eine Packliste mit persönlichen Empfehlungen bekommt ihr vor uns noch vorab 🙂

  2. Andreas Helweg Antworten

    Liebe Sina, lieber Jan,
    was für eine Reise, was für ein Land, was für eine Natur, was für Erlebnisse, was für ein Bericht – unglaublich, was ihr da erlebt habt! Und dazu der Komfort in der totalen Wildnis… Einfach großartig! Ein spannender Bericht über eine total fremde Welt – man kann sich gar nicht vorstellen, dass es so etwas auf dieser Erde noch gibt. DAS MUSS ERHALTEN WERDEN!!
    Danke für Eure emotionale Geschichte – ich freue mich jetzt umsomehr, mit Euch im nächsten Jahr durch Panama zu reisen.

    Ihr schreibt, dass das fotografieren im Dschungel nicht ganz einfach ist. Ich hatte dazu auch schon einiges im Internet bei Euch und auf anderen Blogs gelesen.
    Wie sind denn Eure Empfehlungen? Gibt es aus Eurer Sicht die “richtige”/ “optimale” Linse für die Fotografie im Dschungel? Soll ich eher auf hohe Lichtstärke und weniger Brennweite setzen – konkret für meine Fuji X-H2(S) APS-C-Kamera das 50-140 F2.8 (ggf. mit 1,4x Telekonverter), oder besser eine längere Linse mit wenige Lichtstärke wie das 100-400 F4.5-5.6 oder das 150-600 F5.6-8? Es wäre spannend zu hören, was ihr dazu empfehlen würdet – gerne auch eine generische Empfehlung und nicht unbedingt konkret auf die o.g. Optiken bezogen.
    Danke Euch und alles Gute! wir sehen uns in Panama
    Andreas

    • Hallo lieber Andreas,
      herzlichen Dank für die lieben Worte! Oh ja, es ist wirklich unfassbar, diese Gegend zu erleben und die Erfahrung kaum in Worte zu fassen. Eine einzigartige Region und tatsächlich noch wirklich fernab unserer Zivilisation und Welt.

      Tatsächlich gehört Tierfotografie im Dschungel zu den technisch anspruchvollsten Disziplinen überhaupt. Die ideale Dschungel-Linse wäre wohl so etwas wie ein 300-800mm f/2.8 – sehr flexibel, sehr lichtstark und sehr hohe Brennweite. Natürlich gibt es so etwas nicht und man wird beim Fotografieren in Dschungeln immer einen Kompromiss machen müssen. Wir haben all die Fotos hier mit dem Sigma 150-600mm gemacht (hier unser Test dieser Optik) – das funktioniert also schon okay, wir müssen eben Bildrauschen in Kauf nehmen. Eine lichtstärkere Festbrennweite (400mm 2,8 oder 600mm 4,0) kann da besser sein, kostet aber auch 15.000€ und ist eben unflexibel. Im Endeffekt ist beides, Lichtstärke und Brennweite, wichtig: Mit einer Brennweite unter 600 oder mindestens 500mm (gerechnet auf Vollformat) macht man bei der Tierfotografie im Dschungel schon sehr spürbare Abstriche, mit wenig Lichtstärke ebenso. Sinnvoll ist daher auch eine lichtstarke Kamera, die hohe ISO-Werte erlaubt und verkraftet.
      Konkret zu deinem Equipment: Mit dem 50-140mm kommst du nicht weit genug, und wenn du den Konverter einsetzt, verlierst du die Lichtstärke ja wieder. Ich würde wohl das 100-400mm bei Wanderungen zu Fuß einsetzen und das 150-600mm beim Fotografieren vom Boot aus, wo man schon deutlich mehr Licht hat, weil der Dschungel hier ja zu einer Seite offen ist. Wir werden in Panama daher auch manchmal auf diese Variante setzen.

      Konkret zur Brennweite: Fast alle Tierfotos hier sind mit 600mm an Vollformat aufgenommen (außer die Schlangen, die sind eher um 100mm) und wurden dann noch etwas reingecroppt (die hohe Megapixelzahl der Canon R5 erlaubt das glücklicherweise). 600mm an APS-C ist da also ziemlich passend und nicht etwa übertrieben.

      Ganz liebe Grüße. Wir freuen uns auf Panama mit dir!
      Sina & Jan

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