Fotografie eignet sich nicht nur, um Schönes zu zeigen. Fotografie zeigt die Welt so, wie wie sie ist. Jedes Jahr im April verleiht die World Press Photo Foundation die wichtigste Auszeichnung in der journalistischen Fotografie: Den Titel „Pressefoto des Jahres“. Unter Zehntausenden Fotos wählt eine Jury diejenigen Fotos aus, die am bedeutendsten und eindrücklichsten für das aktuelle Weltgeschehen stehten. Gestern war es wieder soweit.

Die Gewinner 2024 stehen fest

Über 61.000 Einsendungen gab es dieses Jahr für die größte Auszeichnung im Bereich der journalistischen Fotografie: Das Pressefoto des Jahres. Die World Press Foundation, eine 1955 gegründete, unabhängige Organisation und international renommierte Plattform für Fotojournalismus, stellt eine internationale Jury, die aus Zehntausenden Einsendungen die stärksten Fotos auswählt. Hierbei geht es nicht um Schönheit oder technische Aspekte, sondern um Fotos, die die aktuelle Geschichte der Welt dokumentieren: Fotos aus Krieg- und Katastrophengebieten, aber auch aus dem aktuellen Alltag unserer Gesellschaften. Aufgeteilt werden die Fotos in regionale Kategorien, außerdem werden Bilder ausgezeichnet, die besondere Geschichten zeigen. Als größte Auszeichnung, Pressefoto des Jahres, wird ein einziges Bild ausgewählt.

In Zeiten KI-generierter Bilder, Fake News und wieder zunehmender Konflikte und Katastrophen sind authentische journalistische Fotos so wichtig wie nie. „Diese endgültigen ausgewählten Werke sind eine Darstellung unserer heutigen Welt und konzentrieren sich auf Bilder, von denen wir glauben, dass sie mit Respekt und Integrität geschaffen wurden, die universell sprechen und weit über ihre Ursprünge hinaus Nachhall finden könnten“, schreibt Fiona Shields, Vorsitzende der Jury und Leiterin der Abteilung Fotografie beim Magazin The Guardian über die ausgezeichneten Fotos.

Traurig und aussichtslos: Das Pressefotos des Jahres 2024

Eine Stellungnahme zur Sinnlosigkeit aller Kriege“: Ausgezeichnet als Pressefoto des Jahres wurde dieses Foto aus Gaza des palästinensischen Fotografen Mohammed Salem, der für die Nachrichtenagentur Reuters fotografiert. Das bedrückende Foto zeigt eine Frau, die ihre getötete Nichte auf dem Arm hält, eingewickelt in ein weißes Leinentuch. Salem selbst beschreibt das Bild als „starken und traurigen Moment, der zusammenfasst, was im Gazastreifen passiert“. Das fünfjährige Mädchen wurde ebenso wie ihre Mutter und Schwester getötet, als eine israelische Rakete in ihr Haus in Gaza einschlug.

Pressefotos des Jahres 2024 / World Press Photo of the Year 2024
Die Palästinenserin Inas Abu Maamar, 36, umarmt den Leichnam ihrer 5-jährigen Nichte Saly, die bei einem israelischen Angriff getötet wurde, im Nasser-Krankenhaus in Khan Younis im südlichen Gazastreifen, 17. Oktober 2023. (Foto: Mohammed Salem/REUTERS)

Die Jury hebt an dem Foto, das die persönlichen Katastrophen des Krieges zeigt, seine gleichzeitig reale und metaphorische Bedeutung für einen unvorstellbaren persönlichen Verlust hervor. Sie beschreiben es als „komponiert mit Sorgfalt und Respekt“ und betonen die Art, wie das Foto beim Betrachter eine emotionale Reflektion auslöst.

World Press Photo Geschichte des Jahres 

Mit dem Titel „Story of the Year“ zeichnet die World Press Photo Foundation dieses Jahr eine Bildstrecke aus Madagaskar aus, die die südafrikanische Fotografin Lee-Ann Olwage für das deutsche Magazin GEO aufgenommen hat. Die Fotostrecke mit dem Titel „Valim-babena“ thematisiert die Krankheit Demenz, die in Madagaskar stigmatisiert wird, da in der Bevölkerung kaum Wissen über die Krankheit vorhanden ist.

Das erste Foto zeigt etwa einen alten Mann und seine Enkelin, die sich für die Kirche fertigmachen. Für die kompletten Bildbeschreibungen fahre mit dem Cursor über die Fotos.

Diese Geschichte befasst sich mit einem universellen Gesundheitsproblem aus der Perspektive von Familie und Pflege. Die Bildauswahl ist mit Wärme und Zärtlichkeit komponiert und erinnert den Betrachter an die Liebe und Nähe, die in einer Zeit des Krieges und der Aggression weltweit notwendig sind“, schreibt die Jury über die Fotostrecke, die zeigt, wie die Familie des 91-jährigen Mannes mit seiner Krankheit lebt. 

Der Titel des Projekts, Valim-babena, beschreibt das madagassische Prinzip, nach dem Kinder ihren Eltern die Liebe zurückgeben, die ihnen einst von ihrem Eltern gegeben wurde.

World Press Photo Langzeitprojekt Award des Jahres 

In der Kategorie „Long Term Project“ zeichnet die Jury das Projekt „The Two Walls“ des venezolanischen Fotografen Alejandro Cegarra aus, das für die New York Times fotografiert wurde. Alejandro Cegarra, der selbst 2017 aus seiner Heimat Venezuela nach Mexiko migriert ist, zeigt in diesem Projekt seit 2018 den signifikanten Wechsel Mexikos von einem ehemals einwandererfreundlichen Land zu einem Staat mit strengster Migrationspolitik. Er konzentriert sich auf das Schicksal der Migranten, die oft die USA als eigentliches Ziel haben und bereits in Mexiko scheitern.

Das erste ausgewählte Foto zeigt einen Mann, der von einem Güterzugwaggon zum nächsten steigt, während der Zug die Grenze zu Texas passiert.

Die Jury hebt in Cegarras Projekt die „sensible, menschenzentrierte Perspektive“ hervor, „die sich auf das Handeln und die Widerstandsfähigkeit von Migranten konzentriert“.

World Press Photo Offenes Format

Im „Offenen Format” kürt die Jury das Projekt „War Is Personal“ der ukrainischen Fotografin Julia Kochetova.

Ich starre nur in den Spiegel, denn es ist nicht nur ein Krieg, es ist mein Krieg. Und um zu zeigen, dass es sich bei diesem Krieg um einen persönlichen Krieg handelt, vertiefe ich mich hauptsächlich in mich selbst”, schreibt Kochetova über ihr Projekt, das sich mit dem Krieg in der Ukraine beschäftigt, bei dem noch immer kein Frieden in Sicht ist. In ihrem Projekt bringt die Fotografin auf einer Website persönliche Fotos, die den Alltag des Lebens im Krieg zeigen, mit Gedichten, Audioclips und Musik zusammen.

Während Nachrichtenseiten Statistiken und Karten veröffentlichen […] gestattet das Projekt eine einzigartige, persönliche Perspektive auf die leider allzu vertrauten Bilder des Krieges“, schreibt die Jury.

World Press Foto Regional – Europa 

In der regionalen Kategorie Europa ist es ein Foto der katastrophalen Auswirkungen des Erdbebens in der Türkei und Syrien 2023, das die Jury als Gewinnerbild auszeichnet. Das Foto „A father’s pain“ des türkischen Fotografen Adem Altan zeigt einen Vater, der die Hand seiner toten Tochter hält, die unter den Trümmern des Hauses begraben ist. Das Foto wurde zum Symbol des Erdbebens mit 55.000 Toten und zeigt mehr als alle Zahlen und Statistiken das unfassbare persönliche Leid, das hinter Katastrophen wie dieser steht. Neben seiner Tochter verlor der Mann auf dem Foto, Mesut Hancer, auch seine Mutter, seinen Bruder, seine Schwägerin und seine Nichten.

Pressefoto 2024 Gewinner in der Kategorie Regional – Europa
Mesut Hancer hält die Hand seiner 15-jährigen Tochter Irmak, die bei dem Erdbeben in Kahramanmaras, nahe dem Epizentrum des Bebens, am Tag nach einem Erdbeben der Stärke 7,8 im Südosten des Landes am 7. Februar 2023 ums Leben kam. (Foto: Adem Altan/AFP)

World Press Foto Regional – Langezeitprojekt Europa

Während man in Deutschland bezüglich des Klimawandel und Umweltzerstörung gerne verurteilend auf den Rest der Welt schaut, schaut die World Press Foundation nach Deutschland: „Deutschland positioniert sich als Vorreiter bei der Umstellung auf erneuerbare Energien […], ist bei der Energieerzeugung jedoch weiterhin stark von Kohle abhängig. Im Rheinland wurden seit den 1970er Jahren Wälder gerodet und Dörfer abgerissen, um Platz für die Tagebaue Hambach und Garzweiler zu schaffen. Im Jahr 2012 begannen Aktivisten, Teile des Hambacher Forstes und später das Dorf Lützerath zu besetzen, um sich diesen Maßnahmen zu widersetzen. Bis 2023 gelang es ihnen, einen Rest des Waldes und fünf von sechs zur Zerstörung vorgesehenen Dörfern zu retten“ schreibt die Jury über die Bildstrecke „No Man’s Land“ von Daniel Chatard, der mit seiner Bildstrecke aus Lützerath in der Kategorie „Long Term Project Europe“ ausgezeichnet wurde.

World Press Foto Regional – Südamerika

„Drought in the Amazon” des brasilianischen Fotografen Lalo de Almeida zeigt nicht etwa eine Wüste, sondern das ausgetrocknete Flussbett eines Seitenarms des Amazonas, auf dem ein einsamer Fischer entlangläuft. Sein Dorf Porto Praia hat keine Straßenanbindung und ist normalerweise nur per Boot über den Fluss zu erreichen, den die Menschen nun viele Kilometer zu Fuß entlanggehen müssen. Mit einem einzigen Foto schafft es de Almeida, die unbeschreiblichen Folgen des weltweiten Klimawandels aufzuzeigen.

World Press Foto Regional – Südamerika
Ein Fischer geht über das trockene Bett eines Nebenarms des Amazonas in der Nähe der indigenen Gemeinschaft Porto Praia. (Foto: Lalo de Almeida, Brasilien, für Folha de São Paulo)

Ausstellung der Gewinnerfotos

Die Gewinnerfotos des World Press Photo Awards werden in einer Wanderausstellung in 70 Städten in 30 Ländern gezeigt. Die Ausstellung beginnt heute, am 19.04., in Amsterdam und kommt ab Mai auch in verschiedene Städte nach Deutschland und in die Schweiz.

Den Kalender der Ausstellung findest du hier: https://www.worldpressphoto.org/calendar/

Online sind alle ausgezeichneten Fotos auf der Website der Organisation https://www.worldpressphoto.org zu sehen.

Autor

Hi! Ich bin Jan. Fotograf, Reisejunkie und Mitbegründer von Lichter der Welt. Ich liebe ferne Länder genau so wie den Wald vor der Haustür. Jeden Tag neue Dinge zu sehen und zu erleben ist das, was mich am Reisen am meisten reizt. Als Coach und Fototrainer gebe ich regelmäßig mein Wissen an Fotobegeisterte weiter. Auf Lichter der Welt nehme ich dich mit auf unsere Reisen und teile meine Erfahrungen, Tipps und Inspirationen mit dir!

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