Wie entstehen unsere Fotos? Wie planen wir sie, wie entsteht die Idee, wie setzen wir sie ganz konkret in der Praxis um – und wie einfach oder schwer ist das? Schau uns über die Schulter und hinter die Kulissen einiger unserer beliebtesten Fotos.

In diesem Artikel zeigen wir dir die Entstehung unserer Bildserie „Quiraing“, die wir in Schottland aufgenommen haben.

Was steht hinter der Bildserie?

Im zweiten Teil unserer Serie „Hinter den Kulissen“ (hier gelangst du zum ersten Teil: Entstehung unseres Fotos „Morning Mood“) geben wir dir wieder die Möglichkeit, uns über die Schulter zu schauen und uns ganz konkret bei der Planung und Entstehung unserer Fotos zu begleiten.

Heute zeigen wir dir die Entstehung von fünf unserer bekanntesten Fotos überhaupt. Zusammen bilden sie unsere Schottland-Bildserie „Quiraing“, die wir an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in den schottischen Highlands fotografiert haben.

Im Gegensatz zu unserem Bild „Morning Mood“, dessen sehr spontane Entstehung wir dir im ersten Artikel zeigen, ist „Quiraing“ eine durchgeplante, bewusst genau so entstandene Fotoserie.

Die Planung der Bildserie

Wo in Schottland wollen wir fotografieren?

Als wir unseren Roadtrip durch Schottland planten, war diese Frage besonders ausschlaggebend für uns. Der Roadtrip war mit einem Fotoauftrag verbunden und eines unserer großen Ziele war es, spektakuläre Landschaftsbilder mit dem Wohnmobil zu machen.

Es ist nicht einfach, hierfür gute Spots zu finden, denn natürlich muss eine (ausreichend gute) Straße vorhanden sein, allerdings eben keine Orte, Menschen oder unfotogenes Drumherum wie Parkplätze, Straßenlaternen oder Stromleitungen.

Um passende Spots zu finden, recherchierten wir etwa zwei Monate vor der Reise für mehrere Wochen intensiv. Wir schauten uns Fotos und Filme von Schottland an, recherchierten Karten und eine mögliche Route (hierfür nutzen wir das kostenlose Planungstool Furkot), durchforsteten Google, Foto- und Filmerforen genauso wie Social Media.

Der wilde Osten Schottlands
Wo ist Schottland am allerschönsten? Auf Fotoreisen überlassen wir das Finden toller Spots nicht dem Zufall, sondern planen Route und Zeiten vorher genau.

Die sehr empfehlenswerte App PhotoPills (kostenpflichtig) half uns bei der Planung des Sonnenstandes und des Lichts. Für uns ist es immens wichtig zu wissen, wann die Sonne auf- und wann sie untergeht und wann sie wo steht, denn hiernach planen wir unsere Fotos. Ein Foto am Morgen wirkt an der gleichen Location völlig anders als ein Foto am Abend – und am Mittag kann man es fast immer vergessen. Für unsere Fotos suchen wir in der Regel Gegenlicht und einen spannenden Hintergrund. Auch dies waren also wichtige Kriterien für unsere Fotospots.

Neben vielen anderen, ebenfalls großartigen Spots schien das Gebiet Quiraing auf der Isle of Skye sich sowohl für Landschaftsfotos als auch für die Fotografie des Wohnmobils sehr interessant. Außerdem ist es keine Flugverbotszone, sodass auch Drohnenfotos und -videos möglich sein würden. Wir müssten allerdings bereits zum Sonnenaufgang dort sein und Glück mit dem Wetter (sowohl bezüglich Niederschlag als auch Bewölkung als auch Wind) haben. Das Gebiet ist relativ abgelegen, aber da wir im Wohnmobil übernachten würden, wäre das für uns egal.

Wir nahmen den Spot in unsere Route auf. Wegen der Problematik mit dem Wetter planten wir einen Notfall-Ersatztag vor Ort ein. Sollte das Wetter am ersten Tag nicht ideal sein und/oder wir nicht alle Fotos schaffen, würden wir ein anderes Ziel zugunsten dieses Spots streichen und es am nächsten Tag erneut angehen.

Spoiler 😉 Wir brauchten den Notfall-Tag und fotografierten die Serie an zwei aufeinanderfolgenden Tagen.

Route unserer Schottland Rundreise
Für die Planung unserer Rundreisen nutzen wir das kostenlose Tool Furkot. Jedes Fähnchen markiert einen unserer Fotospots, der Plan war also entsprechend ambitioniert und eng

Das Equipment

Wie immer auf unseren Reisen waren wir auch auf unserem Roadtrip durch Schottland hauptsächlich mit diesem Fotoequipment ausgestattet:

Das gesamte genannte Equipment kam bei der Fotoserie „Quiraing“ zum Einsatz. Einen Überblick über unseres gesamtes Fotoequipment findest du hier: Womit fotografieren wir?

Insbesondere in windigen, rauen Gegenden ist ein standsicheres, stabiles – und trotzdem leichtes – Reisestativ unabdingbar. Wir nutzen dieses.

Unser Roadtrip durch Schottland

Für unseren Roadtrip durch Schottland (hier findest du unseren Bericht) wählten wir den Monat April und somit, wie fast immer, die Nebensaison. Hier besteht zwar eine (meist im Endeffekt nur minimale) Gefahr von schlechterem Wetter, aber dies ist für die Fotografie erstens nicht von besonderer Bedeutung (Fotos des schottischen Highlands mit blauen Himmel sind sowieso nicht unser Ziel) und zweitens sind in dieser Zeit viel weniger bis fast keine anderen Reisenden vor Ort, was sowohl das Reisen um Welten angenehmer macht als auch das Fotografieren extrem vereinfacht.

Alle Gründe, warum wir so gut wie nur noch in der Nebensaison reisen, zeigen wir dir hier: Reisen in der Nebensaison

Für Schottland brachte das Reisen im April den weiteren Vorteil mit sich, dass dieser Monat frei von Midges (kleine Stechmücken) ist. Der Nachteil war, dass morgens auf dem Berg zum Fotografieren noch Winterkleidung nötig war.

Die Location

Das Gebiet Quiraing liegt in den schottischen Highlands auf der Isle of Skye.

Die Besonderheit des Spots ist, dass er in alle Richtungen absolut gigantisch aussieht – solche Punkte findet man sehr selten. Es gibt sowohl mehrere ikonische Berge als auch kleine Seen. Am Horizont ist das Meer zu sehen. Durch die Szenerie führt eine kleine, zu unserer Jahres- und Uhrzeit kaum befahrene Straße.

Die Farben an der Location sind unzählige Schattierungen von Braun und Grün, die in verschiedenen Lichtmomenten völlig anders wirken.

Die Sonne geht vom Quiraing aus betrachtet über dem Meer auf. Man hat morgens also Seiten- und Gegenlicht (unser Favorit), weswegen wir die Fotos morgens machen werden. Wie gefühlt überall auf Skye wechseln Lichtstimmung und Farben von Minute zu Minute, sodass wir mehrere Stunden fotografieren werden. 

Wegen der Fülle am Motiven an der Location und der vielen Möglichkeiten durch die verschiedenen Lichtstimmungen, haben wir uns entschieden, hier am Quiraing eine ganze Bildserie zu fotografieren. Für uns bietet sich das in der Landschaftsfotografie nicht oft an, da es meist den einen top Spot und top Lichtmoment gibt, den wir suchen und auf den wir warten. Beim Quiraing finden wir aber, das Einzelbilder nicht die ganze Schönheit und Magie dieses Ortes so erfassen können, wie eine Serie das tut.

Vorbereitung vor Ort

Wir fahren am Nachmittag des 24.04.2019 zum Quiraing und schauen und die gesamte Szenerie (ohne Kamera) an. Das ist uns wichtig, weil ein Spot oft real völlig anders wirkt als auf Fotos oder Karten. Wie oft waren wir schon enttäuscht, weil ein scheinbarer Naturspot ein vermarktetes Touristenhighlight war, mit Zäunen und Öffnungszeiten! Auch in Schottland hatten wir ab und an dieses Problem und einige unserer scheinbaren Traumspots entpuppten sich als lächerlich, vollkommen überlaufen und/oder völlig uninteressant. Such daher lieber ein paar Spots mehr raus, um Ausweichmöglichkeiten zu haben!

Wir parken unser Wohnmobil auf einem kleinen Parkplatz und gehen etwa eine Stunde durch die Szenerie, um die besten Motive und Standorte auszumachen. Morgen früh wird es dunkel und viel zu spät dazu sein – das Gelände müssen wir dann schon gut kennen! 

Mit der App PhotoPills simulieren wir die verschiedenen Sonnenstände zu verschiedenen Uhrzeiten. Wir merken uns die Zeit des Sonnenaufgangs und stellen unseren Wecker so, dass wir bereits eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang an der Location stehen und die Kamera auf dem Stativ haben. Oft gibt es bereits kurz vor Sonnenaufgang besonders schöne Lichtstimmungen.

Abends fahren wir nochmal weg, um an einem anderen Spot, der abends besonders geeignet ist, zu fotografieren. Dies tun wir bis deutlich nach Sonnenuntergang. Danach fahren wir im Dunkeln zurück zum Quiraing, kochen und essen kurz (ja, Fotografen lieben Wohnmobile!), während wir die Bilder des Tages sichern, die Akkus laden und die Kameras vorbereiten. Wir arbeiten bis spät in die Nacht, und das ist die Reise eben auch – Arbeit, kein Urlaub.

Am Morgen des 25.04. wird der Wecker sehr früh klingeln.

Bildbearbeitung Wohnmobil
Nicht nur die Fotografie selbst, sondern auch die Bildverwaltung und erste Bearbeitung gehört für uns auf Reisen täglich dazu

Tag 1

Es ist stockdunkel und der Wind pfeift um das wackelnde Wohnmobil. Wir sind eindeutig in den schottischen Highlands! Die Temperaturen sind kurz über dem Gefrierpunkt und wir ziehen uns dick an. Sonst haben wir nach einer halben Stunde keine Lust mehr. Und keine Lust macht niemals gute Fotos. 

Um halb sechs Uhr stehen wir oben auf unserem Spot. Die Welt ist noch in der Dunkelheit versunken. Wir sind völlig alleine hier. Der Wind zerrt an unseren Jacken, es ist kalt. Es ist einer der Traummomente des Berufsfotografen: Statt jetzt im Berufsverkehr zu stecken, auf dem Weg ins Büro, stehen wir mit Kamera und Stativ im Nirgendwo der schottischen Highlands. 

Vor Sonnenaufgang in den schönsten Landschaften der Welt statt im Berufsverkehr – genau das ist es, was wir wollten

Die Romantisierung des Moments erledigt sich aber auch schnell wieder, denn: Die Sonne kommt nicht. Nicht jetzt und auch nicht eine Stunde später. Irgendwann wird es heller, aber statt einem atemberaubenden Sonnenaufgang oder einem dramatischen Himmel sehen wir eine diesige Nebelsuppe. Die traumhaft schöne Szenerie ist umhüllt von einem weißen Schleier, wirkt matschig und trostlos. Wir fotografieren trotzdem, natürlich, aber es gelingt uns nicht, die Fotos unserer Visionen zu produzieren. Sie werden trist. Grau. Traurig.

Um 7 Uhr beginnt es so stark zu regnen, dass wir beschließen, erst einmal in das Wohnmobil zurückzukehren und im wahrsten Sinne des Wortes abzuwarten und Tee zu trinken. Es ist ein Fotomorgen wie so viele andere, über die kaum gesprochen wird, weil niemand ein Bild von hier zu sehen bekommt, weil sie nicht rühmlich sind, nicht interessant. Es ist ein erfolgloser Fotomorgen, der, wie so viele andere erfolglose Fotomorgen, hinter einem einzigen erfolgreichen Foto steht, das später die ganze Welt sieht.

Ich tue das, was ein Fotograf niemals tun darf.

Erst gegen 9 Uhr klart es auf, Wolkenstrukturen werden sichtbar. Ich tue das, was ein Fotograf niemals tun darf, niemals, egal wie es ihm geht: Ich habe keine Lust mehr. Mir ist eiskalt, ich bin übermannt von Müdigkeit, kann nicht mehr. Die Reise zerrt an mir. Die wenigen Stunden Schlaf pro Nacht und der Druck, über den nie jemand redet. Die Frustration, an diesem Spot nach wochenlanger Vorbereitung so ein Wetter zu erleben und das Wissen, dass wir heute (wieder) nicht die Fotos für unseren Auftrag produzieren können. Ich bin wütend, dass wir nicht mehr Zeit eingeplant haben, bin kaputt von 18 Stunden Arbeit täglich, bin so müde wie selten in meinem Leben. 

Ich tue das, was ein Fotograf niemals tun darf: Ich gehe nicht raus. Ich brauche eine Stunde Schlaf, jetzt sofort, es geht nicht mehr.

Jan geht alleine.

Es ist zu spät für den Sonnenaufgang, für die Fotos unserer Visionen. Allerdings steht die Sonne immer noch recht niedrig und nun werden zumindest Farben und Strukturen sichtbar, die Szenerie wirkt endlich dreidimensionaler, bekommt Konturen und Tiefe. Jan gelingt es, die ersten Fotos nach seinen Vorstellungen produzieren – und wirklich gute Fotos zu machen. Zwei schaffen es in unsere Serie – ein Foto des ikonischen Berges und das Foto des Baumes, was heute eines unserer Favoriten ist und eines von Jans erfolgreichsten Fotos überhaupt.

Nach einer Stunde weckt Jan mich, sagt, dass es sich jetzt lohnt. Wir fotografieren noch eine Stunde zusammen, aber mir gelingt kein top Shot. Für die Wohnmobilbilder ist es zu spät, für die Drohnenfotos zu windig. Das Licht, das Jan noch vor eine Stunde hatte, ist nun auch weg. Versöhnt bin ich trotzdem, denn allein der Anblick lohnt sich. Wenn wir könnten, oh, wir würden wohl den ganzen Tag hier sitzen!

Wir sitzen zumindest noch ein bisschen da und genießen die Szenerie, frühstücken und atmen durch. Zwei Fotos sind nicht viel. Aber es ist eine erstaunlich gute Ausbeute.

Einige Stunden Fahrt liegen vor uns, Locationscouting des Abend-Spots und am Abend das Fotografieren dort. Wir wissen, dass wir in der Nacht wieder zurück fahren werden, zurück hier her, an den Quiraing, und es morgen früh noch einmal probieren werden. Denn oft ist es alleine das, was ein gutes Foto auszeichnet: Das Dranbleiben.

Tag 2

Es ist 5.30 Uhr wir stehen mit Stativ und Kamera im eisigen schottischen Wind an unserem Spot auf dem Quiraing – und die Sonne geht auf! Langsam klettert sie über das am Horizont gerade noch so sichtbare Meer, zaubert wie ein Maler erste Farben in die schwarzgraue, heute windstille und wieder einsame, Szenerie. Was Momente wie dieser einem Fotografen geben, ist das Vergessen und Relativieren all der anderen. Momente wie diese sind der Grund, warum nicht über die erfolglosen Fotomorgen gesprochen wird, sondern nur über diese: Über Momente, die wir niemals vergessen werden. Über Momente, für die sich all die anderen lohnen.

Die ersten Sonnenstrahlen des Tages klettern über die Berge des Quiraing

Schon in den Ansätzen des Tages wird klar, dass wir heute all die Fotos machen können. Die Landschaftsfotos. Die Wohnmobilfotos. Die Drohnenfotos. Die Videos. All die Motive, all die so lang geplanten Shots.

Mit jeder Minute ändert sich die Lichtstimmung am Quiraing komplett. Bizarre Schatten werden zu leuchtenden Strukturen, schwarz wird zu rot, zu braun, zu allen Facetten von Grün. Wir sind im Fotografen-Paradies, würden alles dafür tun, um die Zeit anzuhalten. Zum Teil rennen wir. Zu verschiedenen Spots, verschiedenen Perspektiven, um möglichst alle Motive, alle Schattierungen, alle Möglichkeiten festzuhalten. Und zwischendurch einfach nur staunen zu können.

Jan fotografiert und filmt mit der Drohne. Die Aufnahmen zeigen die Szenerie noch einmal aus einer ganz anderen Perspektive. Zeigen die schroffe, aber gleichzeitig idyllische, karge, aber gleichzeitig farbenfroh leuchtende, wilde und ungezähmte Natur der schottischen Highlands im Sonnenaufgang. Das Drohnenfoto, das es am Ende in die Serie schafft, wird bei Instagram unser erfolgreichstes Foto aller Zeiten.

Es ist Zeit für unsere Wohnmobilfotos. Jan fährt das Wohnmobil einmal die Straße runter und wieder hoch, die Fotos gelingen beim ersten Versuch. Während er wendet, sehe ich plötzlich eine Herde Schafe, drehe mich nach links, mache schnell ein Foto, drehe mich nach rechts, fotografiere wieder das Wohnmobil. Sage Jan über Walkie-Talkie, dass er kurz warten soll, weil die Schafe vielleicht den Berg runterkommen und ich Fotos mit dem Wohnmobil und den Schafen machen kann. Es klappt. Jede Idee funktioniert, fast jedes Foto ist ein Volltreffer. Das nebenbei entstandene Schafbild ist eines meiner besten Fotos und die Wohnmobilfotos werden genau wie geplant. Die Szenerie. Die Straße. Die Freiheit, die Weite, die Natur. Es ist alles da.

Wir fotografieren bis 7.30 Uhr, also insgesamt nur 2 Stunden. In dieser Zeit entstehen 177 Landschaftsaufnahmen und dutzende Videos eines einzigen Spots, von denen heute gleich mehrere zu unseren Top 20 Fotos gehören.

Die ganze Serie

Insgesamt besteht unsere Landschaftsserie „Quiraing“ aus 5 Fotos. Hier siehst du die komplette Serie. Die Exifs der Fotos werden angezeigt, wenn du mit dem Cursor über die Bilder scrollst.

Tag 2: 20mm, 1/160, f8, ISO 500

Der Aufbau der Bilder

Der Aufbau von Landschaftsbildern ist meist herausfordernd, da Landschaften auf das Auge vor allem durch die Weite und Ferne so interessant wirken und ausgerechnet dieser Eindruck auf einem zweidimensionalen Foto verloren geht. Es ist bei Landschaftsfotos daher unheimlich wichtig, mit gestalterischen Mitteln einen Eindruck von Tiefe in das Bild hineinzuholen, damit es nicht platt und flach und damit langweilig wirkt.

Dies ist ein ziemlich komplexes Thema, daher haben wir hier eigenen eigenen Artikel dazu: So machst du nie wieder langweilige Landschaftsbilder

Damit Landschaftsfotos nicht belanglos wirken, braucht das Auge einen Punkt, um zu ruhen und somit ein Hauptmotiv auf jedem Foto. „Die Landschaft“ selbst ist kein gutes Hauptmotiv. Der Blick springt hier beim Betrachten ziellos hin und her, statt zu einem Pinkt gezogen zu werden. Die meisten Bilder ohne Hauptmotiv wirken dadurch wenig ansprechend.

Alle fünf Fotos der Serie haben daher ein Hauptmotiv: Den Berg, den Baum, die Schafe oder das Wohnmobil. Alle anderen Elemente auf dem Bild arbeiten dem jeweiligen Hauptmotiv zu und unterstützen es, ohne selbst zu viel Aufmerksamkeit einzufordern. Alles andere auf dem Bild ist also nur der „Rahmen“, das Setting, um das eine Motiv in Szene zu setzen.

Die Tiefe, die Weite und die magische Wirkung der schottischen Highlands zu vermitteln, war eines der Hauptziele der Bildserie. Um dies umzusetzen, muss der Blick des Betrachters „ins Bild hinein“ gezogen werden. Wichtig zu wissen ist grundsätzlich, dass helle Bereiche den Blick des Betrachters mehr anziehen als dunkle. Die Elemente im Bild, auf denen das Auge ruhen soll, solltern also möglichst heller sein als die Umgebung. 

Wir arbeiten für dieses Ziel meist mit einem dunkleren Vordergrund. Das Hauptmotiv selbst ist heller und einzelne, unterstützende Elemente auch. Dies gelingt durch verschiedene Herangehensweisen, die wir möglichst kombinieren:

  • Standort und Perspektive
  • Motivwahl
  • Licht
  • Bearbeitung

Wenn möglich, warten wir vor Ort so lange, bis Licht auf unser Hauptmotiv fällt. Gelingt dies gar nicht, heben wir es in der RAW-Entwicklung hervor, indem wir es heller gestalten (siehe dazu nächster Punkt).

Um den Blick zum Hauptmotiv zu führen, sollten möglichst Linien auf das Hauptmotiv zu führen. Dies kann durch echte Linien im Bild (bei uns z. B. Straße, Berghänge), durch Farben oder durch Licht geschehen. Besonders angenehm wirkt für die meisten Betrachter, wenn die Linien aus den Diagonalen (also den Ecken des Bildes) kommen, weil der Blick von horizontal oder gar vertikal verlaufenden Linien eher „gestoppt“ wird. 

Bei allen 5 Fotos der Serie führen Linien zum Motiv hin – mal mehr, mal weniger deutlich. Außerdem bestehen alle Fotos aus verschiedenen Ebenen (Vordergrund, Hauptmotiv, Hintergrund), die den Tiefeneffekt unterstützen. Schau dir zum Beispiel das folgende an:

Achte bei diesem Bild darauf, wie die diagonalen Linien (z. B. von unten rechts und oben links, aber auch aus den Mitten) in das Bild hineinlaufen und den Blick zu den Schafen lenken. Durch die geologischen Formationen verfügt das Bild über natürliche Ebenen. Den vorderen Bereich des Fotos (Vordergrund) haben wir abgedunkelt, damit dieser nicht ablenkt und der Blick in das Bild gleiten kann. Der wärmere hintere Bereich sorgt für eine gewisse Spannung im Bild. Der helle Himmel wirkt auf manche Betrachter ablenkend. Wir haben uns jedoch dazu entschieden, ihn so zu lassen, weil wir persönlich den HDR-Look hier zu künstlich und unpassend finden.

Die Einstellungen

Die Kameraeinstellungen der einzelnen Bilder siehst du oben unter dem Punkt „die ganze Serie“.

Grundsätzlich haben wir mit Brennweiten zwischen 16 und 55mm gearbeitet und mit möglichst niedrigen ISO-Werten zwischen 50 und 500.

Die Blende ist grundsätzlich so eingestellt, dass genügend Schärfentiefe vorhanden ist. Bei der Drohne ist die Blende von 2,2 fest, also nicht verstellbar, daher sticht diese gegen die Einstellungen der anderen Bilder so raus.

Das Bild mit dem Baum ist eine Langzeitbelichtung von 30 Sekunden. Da es hier relativ dunkel war, musste kein ND-Filter verwendet werden. Die lange Belichtung hat Jan gewählt, um einen besonderen Effekt (Verwischen) bei den Wolken zu erreichen, um diese etwas abzuschwächen und surrealer erscheinen zu lassen.

Die kleine Kamera unserer Drohne (DJI Mavic Pro) erlaubt das Fotografieren in RAW, ist aber natürlich nicht so stark wie unsere DSLRs. Blende und Brennweite können nicht verstellt werden. Die Bilder neigen zum Rauschen, weswegen wir hier möglichst bei ISO 100 bleiben.

Die Bearbeitung

Da die Bearbeitung dieser Bildserie sehr komplex und schwierig ist, können wir sie in diesem Artikel nicht Schritt für Schritt vorstellen. Jedes Foto ist eine stundenlange Bearbeitung mit teilweise mehreren hundert Schritten durchlaufen. Wir planen, demnächst ein Video mit der Schritt-für-Schritt-Bearbeitung eines der Bilder zu erstellen und werden dies an dieser Stelle verlinken, wenn es fertig ist.

Wenn du dich generell dafür interessiert, mehr in die Bildbearbeitung einzusteigen, schau dir unser E-Book “Der letzte Schritt zur Perfektion” an. Dort erklären wir die Funktionsweise jedes Lightroom-Reglers und zeigen an Screenshots die Schritt-für-Schritt-Bearbeitung von drei unserer Fotos.

Alle 5 Fotos sind RAW-Aufnahmen, die wir anschließend in Adobe Lightroom bearbeitet haben. Für diese Serie haben wir eigens ein Preset erstellt, welches auf alle Fotos angewendet wurde. Anschließend wurden einzelne Bereiche der Fotos hervorgehoben (z. B. durch Aufhellen und Kontrastgebung) und andere abgeschwächt (z. B. durch Abdunklung).

Das Preset gibt den Bildern einen einheitlichen, etwas matt wirkenden Farblook. Hierfür wurde jeder einzelne Farbregler aufwändig angepasst.

Das Ausgangsbild wirkt flacher, hat weniger Spannung in Farben und Kontrasten und ist insgesamt heller als das fertig entwickelte Foto

Anschließend wurde jedes Bild aufwändig partiell bearbeitet. Sowohl Himmel als auch Vordergrund wurden mit Verlaufsfiltern abgedunkelt, um den Blick in die Bildmitte zu führen (Tiefenwirkung). Sowohl ein heller Vordergrund als auch ein heller Himmel ziehen sonst den Blick auf sich und konkurrieren mit dem Hauptmotiv um die Aufmerksamkeit des Blickes, was das Bild unruhig wirken lässt.

Interessante Strukturen der Hauptmotive sowie der unterstützenden Elemente wurden mit dem Pinsel herausgearbeitet: Etwa durch Aufhellung, grüneren oder wärmeren Weißabgleich, Erhöhung der Kontraste, Erhöhung der Klarheit, der Strukturen und durch Dunstentfernung. 

Bei der Serie haben wir bewusst mit dunklen Tönen und sanften Farben gearbeitet.

Einige Leser sprechen uns auf den „Gemäldelook“ einiger Bilder, insbesondere des Schafbilds an. Dieser kommt vor allem durch die Kombination von warmen und gleichzeitig dunklen Farbtönen zustande, außerdem durch das stark gerichtete Licht von der Seite („Rembrandt-Licht“). Schaut dir bei Interesse mal die Farbgebung und das Licht auf einigen von Rembrandts Gemälden an und wie er mit starken Seitenlicht und warmen Farben in Kontrast zu dunklen Bereichen gearbeitet hat. Hier findest du ein gutes Beispiel.

Wir achten bei der Bearbeitung auf natürliche, warme Farben, die auch auch in der Natur vorkommen und möchten keine „bonbonhafte“, stark gesättigte Bearbeitung unserer Fotos und nur sanfte Farbkontraste. Dies ist natürlich nur unser (aktueller) persönlicher Stil und keinesfalls „richtiger“. 

Um trotz starker Bearbeitung einen natürlich wirkenden Look der Fotos zu erhalten, arbeiten wir fast ausschließlich mit partiellen Anpassungen (Pinsel in Lightroom), die nicht über das ganze Bild wirken. Dies ist sehr aufwändig und komplex, es für uns am Ende aber wert.

Hier siehst du ein Vorher-Nachher des Berg-Bildes:

Berg und See sind hervorgehoben, da diese für uns die wichtigen Elemente im Bild sind (Hinweis: die Uhrzeit auf dem Screenshot stimmt nicht, da wir immer vergessen, die Zeitverschiebung einzustellen)

Hauptmotiv sind der Berg in der Mitte und der See, daher wurden diese Bereiche aufgehellt und verstärkt und die anderen Bereiche (wie die Bergketten hinten und rechts und der Himmel) abgeschwächt und abgedunkelt. Es ist wichtig, hierbei sehr präzise zu arbeiten, da die Bearbeitung mit dem Pinsel sonst schnell unsauber und stümperhaft wirkt.

Hinzugefügt, weggeschnitten oder zusammengeschnitten haben wir bei diesen Fotos nichts.

Was steht hinter der Bildserie?

Auch wenn es oft so wirkt und es viele denken: Eine Serie wie diese fotografieren wir nicht im Vorbeigehen. Hinter den fünf Fotos steht wochenlange Planung, inklusive Fahrtzeiten etwa 12 Stunden Arbeit vor Ort und etwa 10 Stunden Nachbearbeitung. Hinter den fünf Fotos stehen über 300 weitere, die wir ebenfalls an diesen beiden Morgen aufgenommen und niemals gezeigt haben. Hinter den Fotos stehen gewissenhafte Vorbereitung, über 2 Wochen durchschnittlich vier Stunden Schlaf pro Nacht, konsequentes Durchhalten von Jan an Tag 1 und Glück mit dem Wetter an Tag 2. 

Zwei der Fotos wurden ganzseitig im Pictures-Magazin veröffentlicht und das Drohnenfoto wurde unser erfolgreichstes Social-Media-Foto aller Zeiten. Mehrere der Bilder wurden, teils mehrmals, von Visit Scotland veröffentlicht. Unsere Wohnmobilfotos aus Schottland wurden Teil einer Werbekampagne des Herstellers.

Seine Fotos gedruckt in einem großen Magazin zu sehen, entschädigt am Ende für Vieles (Pictures Magazin 11/2019)

Das für uns wichtigste ist aber, dass es Fotos sind, die es an unsere Wände schaffen werden, denn sie stehen für uns für so viel. Sie sind Sinnbild für die Weite und unfassbare Schönheit Schottlands. Sie sind auch Sinnbild für unser Leben als Landschaftsfotografen. Sie sind hübsch anzusehen, laden zum Träumen und Fernweh ein. Sind gleichzeitig Sehnsuchtsort und eine Mahnung, durchzuhalten und weiterzumachen – denn am Ende wird es sich immer lohnen.

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Autor

Ich bin Sina, Mitbegründerin von Lichter der Welt, Fotografin und leidenschaftliche Weltenbummlerin. Ich liebe Natur, Freiheit, die Sonne auf meinem Gesicht und den Wind in meinen Haaren. Schon als Kind saß ich fasziniert vor dem Globus und malte mir aus, die Weite dieser Welt zu entdecken. Heute lebe ich diesen Traum und sammle Tipps, Inspirationen und Erfahrungen für dich!

3 Kommentare

  1. Hallo Ihr beiden,
    was für eine wundervolle Landschaft! Die Fotos sind sagenhaft und verbreiten eine irre Stimmung.
    Danke für den spannenden Einblick in Eure Arbeit und die tiefen Einblicke in Eure Gefühle. Gut, dass Ihr einen Notfalltag eingeplant habt. Ich freue mich für Euch, dass Ihr am zweiten Tag mehr Glück hattet.
    Liebe Grüße
    Mandy

    • Sina Antworten

      Hallo liebe Mandy,
      vielen Dank für deinen lieben Kommentar, wir freuen uns total darüber! Hoffentlich können wir ganz bald schon zusammen fotografieren!

      Liebe Grüße
      Sina

  2. Toller, informativer Beitrag. Ich finde behind-the-scenes Berichte immer mega spannend und jetzt mehr über die Entstehung eurer tollen Schottland-Bilder zu lesen, ist schon verdammt interessant! Für mich als Betrachter wertet es Bilder immer noch etwas mehr auf, wenn man mehr drüber weiß.
    Ich freu mich auch schon auf das Video zur genaueren Bearbeitung, auch um über den Bereich noch ein bisschen mehr zu lernen.
    Viele liebe Grüße
    Lydia

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